Orgelschulen

17.03.2022 18:46
#1 Orgelschulen
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Da ich keinen Thread zum Thema "Orgelschulen" gefunden habe, starte ich hier mal dieses Thema. Vielleicht mag sich der eine oder die andere dranhängen mit eigenen Erfahrungen.

Vor längerer Zeit hatte ich das Opus "Die innovative Orgelschule Band 1-6" von Dr. Andrea Kumpe für eine Besprechung bekommen. Dieses Werk erschließt sich möglichen Interessierten allein aufgrund seines enormen Umfangs nicht unmittelbar, was eine eventuelle Kaufentscheidung erschwert. Im Internet ist es zu finden unter
https://www.orgelschule.com/de

und zu erwerben u. a. unter
https://dkunert.de

Hier meine Gedanken dazu:

Vor mir türmen sich sechs Bände mit eintausendvierhundertzdreiundsiebzig Seiten… - nein, die Rede ist hier nicht von einer neuen Musik-Enzyklopädie, sondern von der neu erschienenen „innovativen Orgelschule“ der Musikpädagogin, Konzertorganistin und Kirchenmusikerin Dr. phil. Andrea Kumpe (Luzern).

Die Autorin selbst bezeichnet ihr umfangreiches Opus als „kurzfristig aufwendig, langfristig nachhaltig“. Dies erhofft man sich als neugieriger Interessent zunächst einmal hinsichtlich des sehr stolzen Anschaffungspreises: Immerhin sind pro Band € 67,70 bzw. € 62,70 (je nach Band) zu berappen (€ 47,50 für Band 6/Anhang). Unter Verweis darauf, dass sich das Konzept der Orgelschule erst im Gesamten erschließt, wird der Kauf des Gesamtwerkes für einen vergünstigten Preis von € 298,- angeboten.

Kommen da eventuell jetzt schon leise Zweifel auf? Schieben wir sie hier einfach erst einmal beiseite angesichts der vorab veröffentlichten Vorschusslorbeeren erfahrener Kirchenmusikerinnen und Kirchenmusiker bis hin zu dem Statement: „Darauf hat die Orgel-Welt seit Jahrzehnten sehnsüchtig gewartet“. Das weckt einerseits höchste Erwartungen, lässt aber die Frage aufkommen, ob man mit einer solchen Aussage der qualitätvollen Arbeit vieler Kantorinnen und Kantoren gerecht wird, aus der in den besagten Jahrzehnten Generationen gut ausgebildeter Organistinnen und Organisten sowie herausragende Künstler hervorgegangen sind.

Ich selbst werde den gestrengen Orgellehrer meiner ersten Unterrichtsjahre nicht vergessen: Er war für mich eine absolute musikalische Autorität und seine Interpretationsvorgaben wurden weder hinterfragt noch diskutiert. Das anfängliche Unterrichtsmaterial war sehr überschaubar: die Orgelschule von Ernst Kaller (Mitstudent meines Lehrers bei Karl Straube) und die obligatorischen Choralbegleitbücher.

Wenn ich vor diesem Hintergrund die Zeit meiner eigenen Unterrichtstätigkeit überblicke, wird mir schnell bewusst, wie sehr sie von vielerlei Veränderungen geprägt war. Manche meiner Schülerinnen und Schüler haben inzwischen selbst die Kirchenmusik zu ihrem Beruf gemacht, viele andere sitzen nebenberuflich auf der Orgelbank. Und ja - es gab immer auch einige, die den Unterricht wieder aufgegeben haben. In zunehmendem Maße waren Erwachsene dabei, die sich an das Instrument „Orgel“ heranwagten. Man hat es heute mit einer großen Bandbreite an Vorbildung und Begabung, Motivation und Zielsetzungen sowie persönlicher, zeitlicher und musikalischer Ressourcen zu tun, so wie es ja auch immer weniger das Bild einer „typischen“ Kirchenmusikerin/Organistin bzw. eines typischen Kirchenmusikers/Organisten gibt.

Die sich innerhalb der letzten Jahrzehnte in vielerlei Hinsicht stark wandelnden gesellschaftlichen Rahmenbedingungen sind längst auch im kirchenmusikalischen Berufsfeld spürbar. Entsprechend hoch sind die pädagogischen Herausforderungen, vor denen heutige Unterrichtende stehen. Es genügt nicht mehr, einfach nur musikalisches Vorbild und fachliche Autorität zu sein. In einer Zeit, in der Ausdauer und Geduld zunehmend verdrängt werden von Unverbindlichkeit und dem Streben nach schnellen, kurzlebigen Erfolgserlebnissen, gilt es, immer wieder neu Motivation zu wecken, um Durchhaltevermögen und Freude am Orgelspiel zu erhalten. Dabei müssen methodisch-didaktisch zeitgemäße Wege gegangen und Unterrichtsmaterialien ausgewählt werden, die dem individuellen musikalisch-technischen Vermögen der Orgelschülerin/des Orgelschülers entsprechen. Gerade diesbezüglich hat sich zwischenzeitlich eine Menge getan (ungeachtet der tatsächlich immer noch an den Orgeln landauf-landab zu findenden „unverwüstlichen“ Kaller-Schule). Und in vielen kirchenmusikalischen Prüfungen habe ich erleben können, wie sehr Kolleginnen und Kollegen heute bemüht sind, ihren Unterricht kreativ, individuell, einfühlsam und erfolgreich zu gestalten.

Vor diesem Hintergrund wird es angesichts der inhaltlich sehr weitgefächerten Ausbildung - wobei vor allem die Bereiche Literaturspiel, Improvisation, liturgisches Orgelspiel/Liedbegleitung, Orgel-, Literatur-, Registrier- und Stilkunde, Musiktheorie und Tonsatz zu nennen sind - wohl kaum Unterrichtende geben, die nicht aufhorchen, wenn hier nun von einer Orgelschule die Rede ist, der eine völlig neue Herangehensweise an Unterrichtsmethodik und -inhalte zugrunde liegt.

Äußerlich zeichnet sich die Ausgabe durch eine sehr hochwertige Verarbeitung aus: das stabile Ordnerformat der Bände 1 bis 5 mit Spiralbindung und festerem Papier verspricht Langlebigkeit, der Test auf dem Notenpult Praxistauglichkeit. Die grafische und satztechnische Gestaltung steht diesem Eindruck in nichts nach: Texte und Noten lassen sich prima lesen; alles wirkt sehr aufgeräumt, ansprechend und gut sortiert.

Schnell zeigt sich bei einer ersten Durchsicht des Inhaltsverzeichnisses eine enorme thematisch-inhaltliche Vielfalt. Dass sich dabei die Aufteilung in „Bücher“ und „Bände“ nicht so ganz erschließen will, bleibt angesichts der ansonsten übersichtlichen Gliederung nebensächlich.

Andrea Kumpe hat sich der Mammutaufgabe gestellt, basierend auf fundierten wissenschaftlichen Erkenntnissen und praktischen Erfahrungen die unterschiedlichen thematischen Bereiche des Orgelspiels mittels eines „integrativen methodischen Konzepts“ in einer einzigen Orgelschule zu vereinen. Dabei werden die vier Kerninhalte - Literaturspiel/Interpretation, Improvisation, Liedbegleitung und Komposition - nicht getrennt vermittelt, sondern miteinander verknüpft.

Hinter dem ganzheitlichen und erlebnisorientierten Lern- und Lehransatz stecken klare inhaltliche Kriterien und anspruchsvolle methodische Ziele. So soll beispielsweise die Literaturauswahl den Hörgewohnheiten und musikalischen Präferenzen von Orgelanfängerinnen und -anfängern entsprechen, aber auch neue Impulse setzen, um insgesamt ein abwechslungsreiches Repertoire aufzubauen, das sich durch Attraktivität und musikalische Qualität auszeichnet. In diesem Sinne findet man Originalliteratur aus der Feder bedeutender und wegweisender Komponisten ebenso wie Neukompositionen von Kirchenmusikerinnen und Kirchenmusikern unserer Zeit.

Ich persönlich halte die immer auf Lernziele ausgerichtete Literaturauswahl insgesamt für sehr gelungen. Neben vielen lohnenswerten Neuentdeckungen finden sich natürlich auch einige „Unterrichtsklassiker“ dabei. Dass man manche Stücke vermissen wird, mit denen man selbst gute Erfahrungen im Unterricht gemacht hat, liegt in der Natur der Sache. Es spricht aber nichts dagegen, den persönlichen Fundus an Literatur in der Arbeit mit dieser Schule einzubringen. Dies kann vielmehr sogar sehr reizvoll sein, wenn man sich dabei von entsprechenden Aufgabenstellungen und Impulsen inspirieren lässt.

„Die innovative Orgelschule“ berücksichtigt alle Epochen, Stilrichtungen von Klassik bis Pop und Orgellandschaften. Es versteht sich von selbst, dass Andrea Kumpe auch auf eine umfassende formale Vielfalt und unterschiedliche Schwierigkeitsgrade sehr großen Wert legt und ergänzende Registriervorschläge beifügt. Insgesamt verfolgt die Autorin das Ziel, die Lernenden dazu zu befähigen, Musik in authentischer Klanglichkeit und Gestaltungsweise zu interpretieren. Hierbei hilft eine weitgehend epochenspezifische Behandlung der angebotenen Literatur.

Bemerkenswert ist Kumpes Ansatz, frühzeitig „produktive Kompetenzen“ (Liedbegleitung, Improvisation und Komposition) durch die Einbindung ntsprechender Übungen bzw. Aufgaben zu fördern, mit denen sie auch zu eigenverantwortlichem Lernen animieren möchte. So entwickelt sie aus konkreten Literaturbeispielen heraus sehr geschickt anregende Modelle und Impulse zur Improvisation bzw. Komposition. Ihr Ziel, auf diese Weise häufig erlebbare Leistungsdiskrepanzen im Verhältnis zur „reproduktiven Kompetenz“ (Literaturspiel/Interpretation) zu vermeiden, erscheint mir allerdings sehr ambitioniert. Nicht nur hier stellt sich bei der Beschäftigung mit dieser Orgelschule die Frage, ob nicht doch ein etwas zu „idealisierter“ Orgelschüler-Typus im Fokus steht.

Beeindruckend dagegen ist, wie eine Fülle an praktischen Inhalten, theoretischen Kenntnissen und ergänzenden Themen vorgestellt bzw. in die Chronologie der Schule eingebunden wird. Die Spannbreite hierbei ist groß: Sie reicht von Orgel- und Registrierkunde, Werkanalyse, Formenlehre, Musiktheorie und Musikgeschichte über Spiel- und Übetechniken bis hin zu Themen wie Blattspiel, Fingersatz, Lampenfieber, Kirchentonarten, Tonartencharakteristik oder Figurenlehre.

Dankbar nimmt man angesichts der inhaltlichen Vielfalt die im Anhang untergebrachten unterschiedlichen thematischen Verzeichnisse zur Kenntnis, die bei der Orientierung sehr hilfreich sind.

Wie kreativ und zeitgemäß Kumpe konzeptionell vorgegangen ist, zeigt sich allein schon in dem zusätzlichen Angebot einer interaktiven Website. Diese kann ihrer Zweckbestimmung natürlich nur in dem Maße gerecht werden, wie sie im Laufe der Zeit von möglichst vielen Lernenden und Lehrenden als Plattform dafür genutzt wird, sich über Ideen, Meinungen und individuelle Lösungsansätze auszutauschen. Dabei können Notensätze, Tonaufnahmen und Videos geteilt werden. „Die Farbigkeit an verschiedenen Lösungen soll neugierig machen und inspirieren. Sie soll Hemmungen abbauen und Lust am Ausprobieren und Entdecken wecken“, so die Autorin.

Andrea Kumpe empfiehlt einen sehr flexiblen und individuell bestimmten Umgang mit der Schule im Unterrichtsverlauf. Damit möchte sie der großen Spannbreite an unterschiedlichen Voraussetzungen begegnen, die heutige Orgelschülerinnen und -schüler mitbringen. Es darf ausgewählt und weggelassen werden, Aufgaben können modifiziert und Zusatzmaterialien mit einbezogen werden. Die Schule soll - im Unterricht ebenso wie in der Selbstbeschäftigung - zu einem kreativen und vielseitigen Umgang mit dem Instrument Orgel inspirieren. Letztendlich soll der Lernende zu einer Interpretations- und Spielweise finden, die sich zwar an historisch-stilistischer Authentizität orientiert, aber von persönlichem Gestaltungswillen geprägt ist.

Als Zielgruppe sieht die Autorin vor allem Jugendliche und Erwachsene jeglichen Alters mit Tastenspielerfahrung im unteren Mittelstufenbereich. Angesichts der unterschiedlichen musikalischen Vorkenntnisse und instrumentalen Voraussetzungen verweist sie auf im Anhang veröffentlichte vereinfachte Versionen anfangs verwendeter Literatur sowie auf vier mögliche Wege eines „Einstiegs“ in die Orgelschule.

Insgesamt ist es Andrea Kumpe gelungen, ihre Anliegen und fundierten Erkenntnisse bzw. Erfahrungen in einem mehr als bemerkenswerten Projekt zu realisieren. Sie zeigt in sehr konsequenter Weise auf, wie zeitgemäßer, kreativer und auf den Dialog zwischen Lehrenden und Lernenden ausgerichteter Unterricht aussehen kann. Entstanden ist so ein beispielhaftes und aufwendiges Unterrichtswerk, das mit seiner konsequenten Zusammenführung vieler Themen und Unterrichtskomplexe unter den aktuell auf dem Markt erhältlichen Orgelschulen als besonders wegweisend gelten darf.

Jedoch - so paradox es erscheint – tun sich aber genau hier auch gewichtige Fragen auf: Wie steht es um die Praxistauglichkeit? Hat Andrea Kumpe es mit ihrer umfangreichen Schule nicht vielleicht „zu gut gemeint“ und inhaltlich „zu viel gewollt“?

Die „innovative Orgelschule“ ist kein bequem abzuarbeitender „Selbstläufer“, sondern zunächst einmal und immer wieder herausfordernd. Das betrifft nicht nur den inhaltlichen Umfang, sondern vor allem die zeitintensive Einarbeitung in die konzeptionelle Struktur und den kreativen Einsatz im Unterrichtsverlauf – ggf. inklusive der Internetplattform. Genau dies ist unabdingbar für denjenigen, der sie im persönlichen Gebrauch wie auch im Unterricht effektiv und möglichst gewinnbringend nutzen möchte. Viele Kolleginnen und Kollegen verfügen allerdings in ihrem kirchenmusikalischen Alltag kaum über nötige zeitliche Freiräume. Sie werden (daher) möglicherweise weiterhin lieber auf eigene bewährte Unterrichtserfahrungen setzen.

Zudem sollte sich der Kaufinteressent darüber im Klaren sein, dass diese Schule ebenso wenig wie alle bisher veröffentlichten Unterrichtsmaterialien alle Wünsche und Erwartungen erfüllen kann. Vor allem werden Lehrende in jedem Einzelfall abwägen müssen, ob Kumpes konzeptioneller Weg für die Schülerin/den Schüler geeignet ist. Dabei ist eine solche Einschätzung gerade zu Beginn eines Unterrichtsverhältnisses in der Regel noch schwer vorzunehmen. Genau hier empfinde ich auch den eingangs erwähnten enorm hohen Anschaffungspreis problematisch: zu einem Zeitpunkt, an dem sich Lehrerin/Lehrer und Schülerin/Schüler erst einmal aufeinander einstellen müssen, und an dem noch gar nicht absehbar ist, ob der Orgelunterricht eine längerfristige Perspektive hat.

Ein weiterer Aspekt darf meiner Einschätzung nach ebenfalls nicht außer acht gelassen werden: Kantorinnen und Kantoren sehen sich heutzutage häufiger einem gewissen Erwartungsdruck ausgesetzt, nicht nur für ausreichenden kirchenmusikalischen Nachwuchs zu sorgen, sondern ihre Schülerinnen/Schüler möglichst schnell so weit zu bringen, dass sie bereits Gottesdienste „versorgen“ können. Dies beeinflusst zwangsläufig auch die Unterrichtsgestaltung hinsichtlich der Auswahl entsprechend zielgerichteter Inhalte. Kumpes Methodik zielt zwar darauf ab, dass Orgellernende bereits mit dem zweiten Band der Schule dazu in die Lage versetzt werden, mit schlichten eigenen oder ausgeschriebenen Begleitsätzen und einfachen Intonationen Gottesdienste zu gestalten. Doch dürfte der dahinter stehende, auf Improvisation und Komposition zielende Ansatz nicht für jede Schülerin/jeden Schüler geeignet sein.

Trotz alledem: „Die innovative Orgelschule“ bietet so viele lohnenswerte Impulse, Anregungen, Aufgaben, Übungsbeispiele und (neue) Literatur, dass jede Beschäftigung damit bereichernd ist. Ihre Bedeutung sehe ich vor allem in der beispielhaften Art und Weise, eine Fülle an Unterrichtsinhalten bzw. Themen geschickt und effektiv einzubinden und Lehrende wie Lernende gleichermaßen zu einer kreativen Auseinandersetzung mit der Welt der Orgel zu motivieren. Wie sich dieses Unterrichtswerk in der Praxis bewähren und durchsetzen wird, bleibt abzuwarten.


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17.03.2022 19:04
#2 RE: Orgelschulen
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Danke für die ausführliche Besprechung!

Zitat von Echokornett im Beitrag #1
Da ich keinen Thread zum Thema "Orgelschulen" gefunden habe...


Vor gar nicht langer Zeit gab es diesen hier:
Die innovative Orgelschule v.Dr.phil.A.Kumpe
Da sind auch ein paar interessante Links im Beitrag 11


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18.03.2022 08:28
#3 RE: Orgelschulen
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Ich hatte folgende:

https://www.stretta-music.de/alle-noten?...er+Orgellschule

und schaue immer noch gerne rein. Vielleicht etwas oldscool. Aber kompakt und gut.
Habe mir vor kurzem sogar das Buch neu gekauft, weil das Alte über die Jahre von
mir sehr stark bearbeitet war.


Mit musikalischen Grüßen
Bernhard

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18.03.2022 10:06
#4 RE: Orgelschulen
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Moderator

Vielen Dank für diese ausführliche und fundierte Analyse. Du hast meine Neugier geweckt und ich schreibe mir das Werk mal auf den Wunschzettel. Vielleicht hat Osterhasi ja so viel Platz im Eierkörbchen.
In meiner zarten Jugend verwendeten die meisten Orgellehrer (jedenfalls im Linksrheinischen) durchweg "Ars Organi" von Flor Peeters. Vor allem die hohe Zahl von Pedaletüden vermittelte (auf Normpedal) eine schlafwandlerische Sicherheit. Und ich habe als Orgelschüler die kurzen Literaturstücke sehr gern für das gottesdienstliche Spiel genutzt.
In der eigenen Unterrichtspraxis habe ich meine Schüler mit Band I "Ars Organi" (reine Manualtechnik) angetestet, um zu sehen, ob sie Eignung für das Instrument haben und eine dauernde Neigung entwickeln. Wenn ja, ging's parallel zu Band II mit den Pedaletüden.
Wenn ich merkte, dass der Schüler (jedenfalls unter meiner Anleitung) "nur" bis zum sauberen vierstimmigen Begleitsatz und leichterer Literatur zu bringen war, habe ich den guten, alten Schildknecht oder Keller genommen - mehr gab es vor 45 Jahren kaum. Schildknecht vermittelte noch das absolute Legatospiel mit jeder Menge stummem Fingerwechsel (in nicht zu schnellem Tempo!) und Keller gewichtete stärker die Erfordernisse des Ev. Gottesdienstes.

Dass Orgelschüler die beiden Schüngeler-Bände mit Klaviersonatinen "durch" hatten, war zu Beginn meiner eigenen Unterrichtstätigkeit noch Eingangsvoraussetzung. Ich habe keinen Schüler angenommen, der nicht einen Clementi oder eine zweistimmige Bach-Invention drauf hatte. Schon zehn Jahre später bekam man von den Pfarrern dann Leute geschickt, die auf Akkordeonunterricht beim Dorfschmied zurückblickten oder auf der Farfisa-"Heimorgel" mit Begleitautomatik erste "Erfahrungen" gesammelt hatten. Aus einigen dieser Kandidaten solide Landorganisten gemacht zu haben, die bis heute noch mit Freude in ihren Dörfern spielen, rechne ich mir als Erfolg an.

LG
Michael


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18.03.2022 15:23
#5 RE: Orgelschulen
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Zitat von Orgelfan im Beitrag #3
Ich hatte folgende:
(Keller Orgellschule)
und schaue immer noch gerne rein. Vielleicht etwas oldscool. Aber kompakt und gut.
Habe mir vor kurzem sogar das Buch neu gekauft, weil das Alte über die Jahre von
mir sehr stark bearbeitet war.

Die habe ich mir letztens auch gekauft. Das schwierigste ist also gemacht, jetzt fehlt nur noch die Orgel :D
Ich fand sie schön, weil der Keller sich nicht zu schade ist, auch Text mit Erklärungen zu schreiben. Wie hilfreich die tatsächlich sind, kann ich natürlich noch nicht sagen, aber ich freue mich überhaupt darüber, dass es was gibt. Er schreibt auch, dass die Schule auch fürs Selbststudium verwendet werden kann -- wobei gerade am Anfang ein bisschen Unterricht sehr wichtig ist, da sind wir uns hier vermutlich alle relativ einig.

Den Kontrast zu Kallers Orgelschule habe ich aber sofort gesehen, denn da gibt es ja direkt gar nix an Erklärungen. Als ich damals meine ersten paar Stunden hatte, hat die letztere mir entsprechend wenig Spaß gemacht, und ohne den Lehrer wäre ich völlig verloren gewesen..


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