Was ist Physical Modeling eigentlich?

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17.10.2017 20:16
#16 RE: Was ist Physical Modeling eigentlich?
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Administrator

Du nun wieder, Uwe. [grin] D [grin]


Ich verkaufe meine Orgel, eine Gloria Concerto 234 Trend DLX. Bei Interesse bitte PN oder Mail.

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17.10.2017 20:26
#17 RE: Was ist Physical Modeling eigentlich?
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Moderator

Na, liebe Leute,

jetzt kriegt Euch mal wieder ein. Ihr kennt meinen Spruch: Wer klingt, hat recht.
Irgendwann - wie ich hoffe, in nicht allzu ferner Zukunft - wird es Physis-Orgeln geben, die so schnell rechnen können, dass das ganze kleinfüßige Zeug ordentliche (und beeinflussbare) Vorläufer hat. Dann werden alle Probleme mit dem 2' und den Mixturen behoben sein.
Bis dahin nützt es nichts, sich zu streiten.
Ich denke auch, dass sich die Jungs in Mondaino nicht so gern in die Karten gucken lassen. Entscheidend ist aber, dass wir Kunden bei diesem Spiel gewinnen ...

LG Prost: Prost:
Michael


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17.10.2017 20:26
avatar  Machthorn ( gelöscht )
#18 RE: Was ist Physical Modeling eigentlich?
Ma
Machthorn ( gelöscht )

Zitat
Ich hab übrigens noch eine Theorie: Die Erde ist eine Scheibe. Beweisen muss ich das freilich nicht.



Herzlichen Dank! Wer keine schlichen Argumente mehr hat, versucht den Gegenüber lächerlich zu machen. Altbekanntes Muster...

Fällt es wirklich so schwer zuzugeben, dass beide Theorien denkbar sind?

Zitat
Erstaunlich finde ich dagegen das Misstrauen bzw. die Unterstellung, dass Viscount den Kunden hinsichtlich der Natur von Physis bewusst hinters Licht führen könnte.


Erfahrungswert aus zwanzig Jahren technischen Arbeitens: Wer seinem Kunden etwas glauben machen will um Oohs und Aahs zu heischen, bleibt vage. Interessant, dass Physis die einzige Technik im DO-Umfeld ist, bei der der Hersteller die präzise Arbeitsweise trotz vorhandenem Patentschutz verschweigt.

Ich möchte eines nochmal betonen: Beide Theorien sagen nichts über die Klangqualität aus!


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17.10.2017 20:28
#19 RE: Was ist Physical Modeling eigentlich?
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Administrator

Gut, gerne versuche ich es nochmals mit Ernsthaftigkeit:
Welche Argumente gibt es, die deine Theorie, Machthorn, stützen, wonach Physis im Kern doch ein Sample enthalten könnte?


Ich verkaufe meine Orgel, eine Gloria Concerto 234 Trend DLX. Bei Interesse bitte PN oder Mail.

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17.10.2017 20:34
#20 RE: Was ist Physical Modeling eigentlich?
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Tschuldigung wenn ich es jetzt nochmal ganz deutlich ausdrücke: Mir ist es sowas von total Latte ob es (im Kern) bei PM ein Sample gibt oder nicht. So verstand ich im Grunde auch meine letzten Vorredner. Wichtig ist, was am Ende hinten rauskommt. Auch bei einem eventuellen Besuch in Mondaino wird man sich nebulös dazu äußern. Es ist (mir)wumpe

PORTA PATET MAGIS COR

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17.10.2017 20:39
#21 RE: Was ist Physical Modeling eigentlich?
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Administrator

Gerade bei Physis wird die gegenseitige Beeinflussung von Tönen (und Registern) mitberechnet; bei Samplingorgeln ist das meines Wissens nicht der Fall.


Ich verkaufe meine Orgel, eine Gloria Concerto 234 Trend DLX. Bei Interesse bitte PN oder Mail.

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17.10.2017 21:03
avatar  Machthorn ( gelöscht )
#22 RE: Was ist Physical Modeling eigentlich?
Ma
Machthorn ( gelöscht )

Zitat
Welche Argumente gibt es, die deine Theorie, Machthorn, stützen, wonach Physis im Kern doch ein Sample enthalten könnte?


Ganz einfach, betriebswirtschaftliche Gründe. Und Geld bestimmt letztlich immer, ob bzw. wie etwas umgesetzt wird. Ich mag das gerne nochmal erläutern:

Wenn Physis komplett auf Formeln basiert, dann
- muss jedes einzelne der immensen Zahl an Registern in der Bibliothek (über 700?) vollständig im Labor in definierte einzelne Formeln zerlegt werden. Dabei genügt nicht eine einfache Formel pro Register, es muss der Mensurverlauf mit nachgebildet werden. Der analytische Aufwand ist immens, müssen doch sämtliche Teiltöne über die Summen mehrerer Funktionen nachgebildet werden. Man befasse sich, um das abschätzen zu können, einfach mal mit dem mathematischen Teilgebiet der Analysis.
- müssen diese Formeln in Echtzeit einzeln ausgerechnet und aufsummiert werden, und das für recht schnell um hundert virtuelle Pfeifen gleichzeitig. Der rechnerische Aufwand dafür ist so groß, dass er selbst von aktuellen Achtkern-Desktopprozessoren kaum gestemmt werden könnte. Dabei erzeugen diese eine Abwärme von z.T. mehr als 200W, die nur mit aktiver Kühlung (Lüfter, Wasserkühlung) abgeführt werden kann. Alternativ müsste Viscount einen eigenen Chip mit mehreren dutzend parallel arbeitenden mathematischen Coprozessoren entwickelt haben. Alleine die Entwicklungskosten für so etwas erreichen schnell achtstellige Summen.

Wenn Physis auf Sampleschnipseln aufbaut, dann
- muss jedes Register nur in eine überschaubare Anzahl von einphasigen Sampleschnipseln zerlegt werden. Zur Abbildung des Mensurverlaufes werden das sicherlich mehrere pro Register sein, aber man muss sie nicht mehr aufwändig analysieren sondern einfach nur speichern. Ein entscheidender Teil der Arbeit entfällt ersatzlos.
- müssen die entsprechenden Amplituden für jeden Zeitpunkt und für jedes Register nicht mehr errechnet sondern nur noch abgelesen werden. Es genügt, die abgelesenen Werte zu addieren. Die benötigte Rechenleistung ist um mehrere Größenordnungen kleiner.

Das Entscheidende: Beide Lösungen erlauben den intonatorischen Eingriff, den Physis bietet. Beide Lösungen sind denkbar. Beide Lösungen entsprechen der Patentschrift, Beide Lösungen sind speichereffizient. Aber die von mir vorgeschlagene Lösung ist schlichtweg einfacher und billiger, ohne Nachteile zu haben.

So einfach ist das.


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17.10.2017 23:12
#23 RE: Was ist Physical Modeling eigentlich?
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Intonationsmeister

Und ich habe mich schon gewundert warum meine 355cc einen Wasseranschluss hat. [grin] D
Spaß beiseite, ich halte es wie Uwe, wichtig ist was an Klang herauskommt und nicht was in einer Patentschrift steht. Übrigens konnten auch die letzten Prestige Modelle schon in begrenztem Umfang die gegenseitige beeinflussung der Pfeifen berechnen.

Gloria Concerto 355cc

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18.10.2017 00:12
avatar  Machthorn ( gelöscht )
#24 RE: Was ist Physical Modeling eigentlich?
Ma
Machthorn ( gelöscht )

Zitat
Spaß beiseite, ich halte es wie Uwe, wichtig ist was an Klang herauskommt und nicht was in einer Patentschrift steht.



Absolut! Alles andere darf dem Käufer im Grunde völlig egal sein.

Allerdings glaube ich, dass dieses Forum einer gewissen Objektivität verpflichtet ist. Die Theorie von der vollständig und ausschließlich durch Funktionen abgebildeten Registerdefinition wurde so explizit auch von Viscount selbst bislang meiner Recherche nach nicht bestätigt. Viscounts Veröffentlichungen lassen eben die von mir genannte Erklärung als alternativen Schluss ebenso plausibel zu. Letztlich wissen wir nicht, was Wahrheit ist, folglich sollten wir auch keinen der beiden Ansätze zur Wahrheit und zum Wissen erheben. Aus meiner technischen Sicht ist die zweite Erklärung sogar plausibler, weil sie überflüssige Umwege erspart. Aber ich kann mich da selbstverständlich auch irren.

Dazu kommt, dass ich mich vor einiger Zeit mit einem Syntesizer-Nerd ausführlich über das Thema Physical Modelling im Allgemeinen ausgetauscht habe. Seine Erfahrung ist die, dass selbst vergleichsweise aktuelle High-End-Synthies PM nur mit einer einzigen Stimme und vergleichsweise niedriger Polyphonie (ich meine bis zu achtfach) beherrschen. Diese Geräte können also in Echtzeit acht Töne modellieren und addieren. Eine 468 CC kann das volle Werk mit allen Koppeln und allen Tasten gleichzeitig gedrückt reproduzierbar wiedergeben. Wenn ich auch bei mehrchörigen Stimmen nur eine Definition annehme, komme ich auf glatte 3800-fache Polyphonie, das ist das 475-fache eines teuren Synthesizers. Wo soll dieses Mehr an Rechenleistung bezahlbar herkommen? Ich habe für mich eine plausible Antwort gefunden - die wie schon erwähnt auch falsch sein kann.


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18.10.2017 21:08
avatar  Michal ( gelöscht )
#25 RE: Was ist Physical Modeling eigentlich?
Mi
Michal ( gelöscht )

So, jetzt kann ich nicht anders als zur Diskussion Physis- und Samplingorgeln etwas Senf beizugeben.

Viscount hat das Physical Modelling (kurz: PM-Synthese oder PM) nicht erfunden (daher nichts in den Patentschriften). Dieses Verfahren gibt es schon lange Zeit. Die ersten Synthesizer mit PM-Technik gab es in den 90ern. Ob es vor Viscount schon für digitale Pfeifenorgeln verwendet wurde, weiß ich nicht. Für andere Tasteninstrumente und vor allem für die Nachbildung analoger Klangerzeuger (frühe analoge Synthesizer oder Tonrad-Orgeln) wird es schon sehr lange Zeit verwendet.

Sampling ist jedenfalls deutlich älter, denn dieses wurde bei den Keyboards schon seit dem berühmten Mellotron (50er-Jahre) eingesetzt (damals noch mit Magnetbändern, also einem Tonstreifen pro Taste).

Zur „Tonerzeugung“ werden seit langem Verfahren wie die additive Synthese oder die subtraktive Synthese verwendet. Das hat per se noch nichts mit „Digital“ oder „elektronisch“ zu tun. Erstere bedeutet beispielsweise nur, dass man Töne übereinander lagert um neue Klänge zu gewinnen (die Pfeifenorgel ist schon bautypisch so ein Instrument). Es gab, hab ich mal gelesen, sogar irgendwann um die letzte Jahrhundertwende schon elektrische additive Klangmaschinen, die noch von Dampfturbinen den Strom bekamen. Deswegen waren die ersten Versuche eine Pfeifenorgel nachzubilden additiv aufgebaut (ja, erfolgreich war die Hammond-Orgel, die als Pfeifenorgelersatz gedacht war). Bei Hammond wurden TonräDer verwendet, die idealer Weise eine Sinusschwingung (einer bestimmten Taste und bestimmten Fußlage) mit anderen addiert und so zu einem komplexen Klang aufbauen, der tatsächlich einer Pfeifenorgel sehr nahe kommt (wer’s nicht glaubt nehme sich einen guten digitalen Hammond-Clone, stelle den auf „Clean“ – also auf neuwertige Hammond, die es so original ja heute nicht mehr geben kann – und stelle die Zugriegel entsprechend bestimmten Vorlagen (Drawbar-Settings) ein. Es können fast alle Register einer Pfeifenorgel ziemlich realistisch nachgebildet werden! Schon das Ziehen eines 2 2/3 gibt einen guten Nazard und der 1 3/5 eine Tierce oder der 1 1/3 ein Larigot. Wenn man dann ausgefeilte Registrierungen nachbaut, kommt man auf sehr viele brauchbare Pfeifenorgelregistrierungen. Nur in der Praxis war das mit den elektromechanischen Hammonds eine andere Sache. Denn es gab viele elektromechanische und elektrotechnische Nebeneffekte (Übersprechen, Tastenklick, usw.), die eine Hammond dann doch mehr nach Hammond klingen ließen. Dazu kam die Alterung der Bauteile (v. a. der frühen Wachskondensatoren, die ihre Werte teils vervielfachten) und in den 70ern waren die früheren Hammonds dann klanglich so „abgedriftet“, dass sie zusammen mit Rotationslaustprechern (Leslie) sich so weit vom früheren Ideal eines Herrn Hammond entfernt hatten dass sie im Jazz und später auch mit Verzerrungen (aus zu laut gespielten Röhrenverstärkern oder mittels anderer Techniken) in der Rockmusik eingesetzt wurde.

Die additive Tonsynthese geht also davon aus, dass sich aus der Überlagerung von Sinusschwingungen nahezu beliebige neue Schwingungen (und damit Töne) generieren lassen. Bei der elektromechanischen Umsetzungen gab es allerdings ebenso viele technisch bedingte „Fehler“, dass diese sich obendrein in den Klang mischten und daraus eben ein nochmals ganz neuer Klang wurde. Diese Fehler einer Hammond nachzubilden ist heute gerade die Herausforderung. Und gerade hier ist die PM-Synthese von Vorteil.

Es gab und gibt noch andere sehr erfolgreiche Tonererzeugungsmöglichkeiten. Beispielsweise die subtraktive Synthese, die davon ausgeht, dass man aus einem extrem obertonreichen Klang (also genau keinem Sinus, sondern bspw. einem Rechteck oder Sägezahn) jeden beliebigen anderen Klang herausfiltern kann. Die ersten analogen Synthesizer arbeiteten so (namentlich die von Herrn Moog), später fast alle anderen analogen Synthesizer ebenso. Man braucht nämlich hier nur einen oder zwei oder drei Tonerzeuger, also Oszillatoren (und nicht duzende wie bei der Tonradorgel) und legt dann wenige regelbare Filter darüber und schon fetzt der Sound.

Später kam dann die FM-Synthese (eine Variable moduliert die Frequenz eines Oszillators - zuerst analog, dann später auf digitalen Plattformen) und andere Verfahren wie die Wavetable-Synthese (rein digital – es werden quasi Wellenschnipsel statt Tonsampels verwendet) oder die Granularsynthese. Die beiden letzteren Verfahren brauchen weniger Rechnerleistung als die PM-Synthese, also das Physical Modelling (à la Physis).

Die Granularsynthese ist genau das Verfahren was hier von einem Forianer Viscount angedacht wurde. Man nehme kurze Tonschnipsel (50 Millisekunden) und füge die aneinander und schon ergibt sich ein langer Ton oder Klang. Also Millisekunden-Sampling. Genau so wurde es bei mehreren Synthesizern auch gemacht. Nicht aber so bei Viscount und Physis! Granularsynthese würde niemand mit PM - wenn auch nur werbetechnisch - beschreiben.

Physis ist reinrassige PM-Synthese. Hier werden nicht einzelne Töne rechnerisch nachgebildet, sondern bestimmte Situationen rechnerisch dargestellt. Also beispielsweise die Parameter, die den Ton in der Pfeife überhaupt entstehen lassen und nicht nur die, die den Pfeifenklang beeinflussen. Es wird also nicht der Ton eines Registers und einer speziellen Pfeife dieses Registers „nachgebaut“, sondern die "klangbaulichen" Parameter einer Pfeife digital „formuliert“. Ich muss also nicht wissen, welche Teiltöne eines spezifischen Pfeifenklangs sich wie zusammensetzen, sondern nur die klangerzeugenden und klangbeeinflussenden Gegebenheiten entsprechend dieser Pfeifengattung einstellen, d. h. zuerst mal definieren. Oder noch kürzer: PM baut keine Töne nach, sondern definiert die Klangparameter eines Instruments (wenn ich mich richtig erinnern kann sieht man diesen Prozess sogar i einem ihrer Videos).
Und hier liegt der Unterschied zum Sampling. Aber auch der Unterschied zu den anderen Klangerzeugungsverfahren. Ich mache keine digitalen „Töne“ mit Physis, sondern tatsächlich bilde ich die klanglichen Gegebenheiten eines Instruments respektive eines Klangkörpers nach. Dies einmal ins Programm geschrieben brauche ich nur noch an den Variablen stellen und kann jeglichen Klang erzeugen, den auch der physische Klangkörper erzeugen würde. Und noch besser, da sich die Algorithmen sozusagen gegenseitig rechnerisch beeinflussen habe ich auch alle gegenseitigen Beeinflussungen der Anzahl der einzelnen Klangerzeuger, die sich im Instrument dann so spezifisch für dieses Instrument ausdrücken. Das geht mit Sampling praktisch kaum. Hier kann ich nur die „aufgezeichneten“ Klangschnipsel irgendwie „modifizieren“, also filtern, verzögern oder sonst wie verändern. Es entsteht in der Samplingtechnik aber nie ein instrumententypisch variabler Klang (durch gegenseitige Beeinflussung), sondern allenfalls ein künstlich abgeänderter oder zufallsgenerierter Mischklang.

Sampling hingegen kann den Klang eines Vorbilds originalgetreu wiedergeben – so gut die „Aufzeichnung“ halt sein mag und dies hängt direkt mit der Qualität der Samples als auch mit dem verfügbaren Speicher in Zusammenhang.
Mit PM hingegen müsste ich diese „Vorbild“-Orgel erst einmal digital bauen – also nicht die einzelnen Töne der Pfeifen, sondern die Pfeifen selbst (also deren spezielle Bauformen in digitale Algorithmen und Bedingungen übersetzen) und obendrein den Orgelkasten und die Akustik in der speziellen Kirche usw. (und das wäre mindestens so schwierig wie die Aufgabe des einstigen Orgelbaumeisters).
Kurz: PM baut digital ein Instrument, d. h. dessen Eigenschaften nach und Sampling gibt einzelne Töne eines realen Instruments wieder, die sich durch raffinierte nachgeschaltete Techniken dann auch etwa im Zusammenspiel so anhören wie das Vorbild des komplexen Instruments.

Die Vorteile des Samplings liegen klar auf der Hand. Wer Silbermann will, bekommt Silbermann und das klingt dann auch mit Winddruckschwankungen usw. )mittels heutiger Technik) ziemlich nach originaler Silbermann. Da man die einzelnen Klangschnipsel sowieso mit den Interaktionen zusammenführen (und damit digital Nachbearbeiten) muss, kann man sich mittels dieser Algorithmen auch vom Vorbild entfernen oder dieses abändern (mittels DSP). Mittels DSP hat man also auch umfangreiche Intonierungsmöglichkeiten bei gesampelten Vorlagen.

Beim PM ist „Intonierung“ was ganz anderes, nämlich verändere ich tatsächlich die Pfeifen selbst, also deren Parameter. Der Klang, der dabei dann herauskommt ist genauso viel oder wenig vorhersagbar (auch nicht berechenbar) wie wenn der Pfeifenorgelbauer die Mensur oder die Kernspalte oder sonst welche Parameter veränderte. Freilich weiß man wohin der Weg geht, aber das Ergebnis muss immer noch mit den Ohren bewertet werden. So auch beim PM.

Die Aufgabe den Gesamtklang eines analogen oder physischen Instruments nachzubauen ist übrigens nicht von dessen Größe oder Komplexität abhängig. Eine Saiteninstrument oder Piano nachzubauen ist für Sampling genau so schwer wie eine Pfeifenorgel mit zehntausend Pfeifen. Freilich braucht letztere mehr Speicher, aber Sampling hat seine Grenzen auch bei nur einer einzelnen Saite eines Instruments. Nämlich immer dann, wenn es zu schwer berechenbaren oder vorhersagbaren Beeinflussungen kommt, die den Klang erheblich ändern ohne dass man dafür jeweils einen eigenen Sample speichern kann. So kling die Seite eines Streichinstruments immer anders- je nachdem ob sie gezupft wird, wie stark sie gezupft wird, wo sie gezupft wird oder wie und wo und wie schnell der Bogen beim drüber streichen sich reibt. Es gibt beim realen Speilen unzählige Möglichkeiten den Klang subtil zu verändern – das bräuchte also ebenso unzählige Samples.
So sind auch die besten digitalen Nachbildungen physisch komplexer Instrumente wie dem Piano, wo es zu vielen Interaktionen im Instrument oder durch den Interpreten kommen kann mit PM sehr gut umgesetzt. Auch wurde meines Wissens nie mit großen Erwartungen ans Ergebnis eine Hammond-Orgel rein gesampelt, denn hier dominieren förmlich die gegenseitigen und mechanischen sowie elektrischen Beeinflussungen. 91 Sinustöne zu generieren wäre ja einfach. So wurde das PM bei Hammond-Clones schon sehr früh und sehr erfolgreich eingesetzt. Da die Hammond additiv arbeitet – und das auch die Pfeifenorgel tut – war es nur eine Frage der Zeit bis jemand wie Viscount mal auf diesen Trichter der Herangehensweise kam.
Die Pfeifenorgel ist hier aber echt noch relativ harmlos bei gegenseitigen Klangbeeinflussungen und so kann Sampling sich bei Pfeifenorgeln auch gut behaupten und liegt bei der Nachbildung spezifischer historischer Instrumente m. E. sogar weit vorne. Hauptwerk ist also nicht gefährdet.
Ein wirklich eigenständiges und beliebig abänderbares Instrument kann mit Hauptwerk im Wohnzimmer aber nicht gebaut werden. Mit PM-Synthese und namentlich Physis geht das! Ein individuelles Instrument also, das sich verhält, wie sich so ein Instrument eben in Wirklichkeit auch verhalten würde.
Sampling und PM stehen also keinesfalls im Wettstreit sondern sind zwei verschiedene Seiten einer Medaille. Und eigentlich braucht man beides. Ich möchte Hauptwerk nicht missen, weiß aber auch die Vorzüge (und mit Sampling einfach nicht zu bewerkstelligenden) Vorteile einer Physis-Orgel zu schätzen. Nämlich LEBENDIGKEIT und VARIABILITÄT (wenn es letzteres Wort überhaupt gibt).
Gerade Einschwingverhalten sind schwer nachzubilden und daher sind perkussive Klänge eher eine Domäne des Samplings (z. B. die Theaterorgel).
Anmerkung: ich schreibe hier frei Schnauze ohne Korrekturlesen und vertraue auf die Rechtschreibkorrektur, sonst würde mich diese Aufsatz einfach zu viel Zeit kosten und ich denke man versteht trotz der ganzen Fehler was ich sagen will.

So, wo geht der Weg hin beim PM. Nun es ist extrem rechenintensiv (dafür aber weniger speicherintensiv). Beides wird immer verfügbarer und damit wird zwangsläufig bei beiden Verfahren die Qualität immer besser. Beim Sampling mehr und längere Samples und beim PM mehr zu berechnende Parameter.

Interessant ist, dass es bei der PM-Synthese zwei Plattformen gibt auf denen sowas laufen kann.
Einmal auf DSP-Basis, also mittels digitalen Singalprozessoren, die die Rechenoperationen ausführen und zweitens – und das ist m. E. die Zukunft, das Field Programable Gate Array. Letzteres ist kein Computer, sondern ein Schaltkreis, in den eine Logik geladen wird. So ein FPGA hat null Latenz und ist beliebig abänderbar und von keinem Betriebssystem abhängig. Der initiale Aufwand hingegen ist höher und es ist teurer als mit DSPs zu arbeiten.
Mit PM auf FPGA-Plattformen hat man aber ein in Echtzeit beliebig formbares Instrument. Zitat Carsten Meyer: „Ein FPGA ist im Prinzip ein digitaler Schaltplan, keine Software und kein Programm. Man modelliert den Schaltplan zwar in einer Art Programmiersprache, aber letztendlich ist das Ergebnis eine Schaltung und kein Programm. Das Schöne daran: Eine Schaltung kann nicht abstürzen, kann beliebig viele Dinge gleichzeitig (und zwar wirklich gleichzeitig und nicht nur quasi-gleichzeitig wie Mikroprozessoren und DSPs) und reagiert sofort.“
Ich habe meinen zigsten Hammond-Klone (alle basieren auf PM) auf FPGA-Basis gerade erst bekommen (einen HX3) und das ist m. E. ein „Clone“ im wahren Sinne, nämlich eine geklonte „allgemeine“ Hammond und nicht nur etwas, das irgendwie besser oder schlechter klingt und auch nicht etwas was 1:1 so klingt wie irgendein malträtiertes und gealtertes spezifisches Hammond-Exemplar. Wobei auch hier muss man aufpassen – auch wenn man damit (wenn man an den Parametern schraubt) eine spezielle Hammond einer bestimmten Bauzeit und mit bestimmter Alterung emulieren kann – ein Duplikat eines speziellen Instruments bekommt man nicht. Man bekommt eher eine digitale Hammond, die dann so klingen kann, wie man sich das immer wünschte. Kaufte man sich eine alte echte Hammond, müsste man viele derer anhören und ggf. viel daran basteln, dass sie wieder so klingt wie man das sich das im Ideal vorstellte.
Meine Unico arbeitet – soweit ich weiß, aber ich lasse mich da gerne belehren – mit DSP-Technik (und stößt vielleicht mit der Rechnerplattform an deren Grenzen - vor allem im Hochtonbereich). Die Vorzüge von Physis möchte ich aber nicht missen. Eine Physis-Orgel ist eben kein Nachbau, sondern ein eigenes individuelles und vollwertiges Instrument.
Aber es ist also im wahrsten Sinne noch Luft nach oben! Na ja, sonst wäre Technik an sich ja auch nicht so faszinierend.

Vielleicht ist der vielversprechendste Weg die Kombination verschiedener Verfahren, so wie es mit der LA-Synthese beim Roland D-50 Synthesizer schon gemacht wurde. Kurze Samples wurden beim D-50 für das Einschwingen benutzt, die dann in diesem Fall in vorwiegend subtraktive Synthese übergehen (Ergebnis: für damalige Zeit weit überragende Streichersounds). Für DOen würde sich vielleicht eine Kombination von kurzen Samples für die Vorläufertöne und das Spucken usw. und dann PM für den Flächenklang, der dann weder statisch noch isoliert wäre, eignen. So ließe sich auch vielleicht eine überzeugende Theaterorgel umsetzen. Mich würde an der Stelle interessieren was Eminent eigentlich genau kombiniert. Ich habe mit diesen Orgeln leider keine Erfahrung, habe allerdings auch gelesen, dass der Klang nicht jedem gefällt. Letzten Endes ist es halt gerade auch bei Kombinationen eine Frage der guten und gefälligen Umsetzung.

Anmerkung: ich habe zu diesen Ausführungen nichts recherchiert (außer dem Zitat von Herrn Meyer), also auch keine Quellen und somit auch keinen Nachweis der Richtigkeit. Wenn fach- und sachliche Fehler drin sind, bin ich für Aufklärung sehr dankbar! Von orthographischen Fehlern bin ich als Legastheniker befreit


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18.10.2017 21:26
#26 RE: Was ist Physical Modeling eigentlich?
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Administrator

Holla, das ist mal ein Einstandsposting. Chapeau.
Willkommen jedenfalls! [smile]

Warst du früher schon mal hier? Der Name Michal kommt mir sehr bekannt vor.

PS: Habe die gesamte Physis-Diskussion in einen eigenen Thread verschoben. Der Mehrwert scheint mir beachtlich.


Ich verkaufe meine Orgel, eine Gloria Concerto 234 Trend DLX. Bei Interesse bitte PN oder Mail.

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18.10.2017 22:21
#27 RE: Was ist Physical Modeling eigentlich?
cl

Hallo Michal,
über das "Wiederlesen" freue ich mich sehr. Deinen Beitrag habe ich mit Gewinn gelesen
und wünsche mir mehr davon.
Lieben Gruß aus Köln
Clemens

Liebe Grüße vom Clemens

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18.10.2017 22:33
avatar  Machthorn ( gelöscht )
#28 RE: Was ist Physical Modeling eigentlich?
Ma
Machthorn ( gelöscht )

Zunächst einmal widersprichst du dir selbst. Einerseits schreibst du, Physical Modelling sei im Ursprung additive Synthese, andererseits schreibst du, PM habe eben nichts mit Tonsynthese sondern der rechnerischen Nachbildung physikalischer Vorgänge zu tun.

Letzteres ist in der von dir postulierten Feinheit unmöglich. Du unterstellst, Physis könnte für 3800 Pfeifen gleichzeitig das aerodynamische Verhalten anhand der Bauform der Pfeifen errechnen und die daraus resultierenden Schwingungen ableiten - in Echtzeit! Sorry, aber das ist mit aktueller Hardware komplett ausgeschlossen! Selbst aerodynamische Berechungen für ein einziges Auto oder einen Flugzeugrumpf in Echtzeit benötigen immer noch sehr leistungsfähige Rechner. Die Fehlerquote dabei ist aber immer noch auf einem Niveau, welches bei Digitalorgeln als "grausamer Klang" beschrieben werden müsste.

Die Frage ist doch, was wird "physikalisch modelliert". Die Antwort gibt im Falle von Physis die Patentschrift (und die widerspricht übrigens ebenfalls der vollständigen Nachbildung der physikalischen Vorgänge). Ein in einer Blackbox (und um deren Inhalt wurde bislang gestritten) erzeugter "undynamischer" Klang wird mithilfe von Parametern lebendig modelliert.

Das eigentliche Physical Modelling findet laut Viscount-Patentschrift also erst nach der Erzeugung des Grundklanges statt. Dieser Grundklang kann aber sehr wohl auf Granularsynthese aufbauen, ohne den Möglichkeiten von Physis zu widersprechen.


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19.10.2017 01:55
avatar  Michal ( gelöscht )
#29 RE: Was ist Physical Modeling eigentlich?
Mi
Michal ( gelöscht )

Sorry für meinen langen Text, den ich einfach so hingeschrieben habe. Es war ein Fehler, denn so kann man einen komplizierten Sachverhalt schlecht darlegen und es muss förmlich zu Missverständnissen kommen. Aber ich kann und will hier auch keinen wissenschaftlichen Aufsatz schreiben, den ich zigmal auf Lesbarkeit und Verständlichkeit hin trimme. Trotzdem, der Fehler liegt klar bei meiner wirren Darstellung.

Also nochmal ein Versuch.

Nein, PM basiert NICHT auf additiver Synthese. Auch nicht auf subtraktiver und auch nicht auf Sampling und auch nicht auf Millisekundentonschnipseln.

Die Pfeifenorgel hingegen, als mechanisches Instrument, basiert auf additiver Tonsynthese. Genau wie die Tonradorgeln. Und beide Gattungen eignen sich aufgrund ihrer „Art“ der Klangbildung, also derer in den originalen Instrumenten (denen mit Wind bei den Pfeifen und denen mit mechanischen TonräDern bei der Hammond) diese mittels PM digital nachzubilden - oder soll ich sagen nachzubauen.

Wenn sehr viele Faktoren sich gegenseitig beeinflussen kommt man mit Algorithmen oder Systemen die den Endzustand, also das ERGEBNIS beschreiben oder berechnen sollen nicht gut weiter. Wie soll man alle diese Auswirkungen und Beeinflussungen auch in Echtzeit berechnen. Was hingegen weiterhilft ist eine unklare Logik (Fuzzy Logic) bei mathematischen Systemen. Was auch weiterhilft ist einfach eine Darstellung von ähnlichen und bekannten Endzuständen aus vergleichbaren Systemen. Auch wenn ich viel zumute, aber das ist Sampling mit Signal-Processing à la Hauptwerk, denn wir haben hier Abbilder die mittels DSP möglichst vielseitig und realitätsnah moduliert werden, so dass ein möglichst realistisches Abbild eines Vorbilds besteht - bei ähnlichen bekannten Modifikatoren, die nach bestimmten einfachen Regeln angewendet werden (das Winddruckmodell beispielsweise bei Hauptwerk- das ist ja nicht in den Samples festgeschrieben sondern wird auf die Samples moduliert). Sorry schon wieder ein unklarer Satz.

So nochmal.

PM ist ganz was anderes. Egal ob dieses auf DSP oder was anderem beruht. Beim PM wird gar nicht erst versucht alle Möglichkeiten der Ergebnisse zu berechnen. Es wird analysiert aus was denn die einzelnen Komponenten bestehen (Pfeifen, TonräDer oder sonst was, was als Generator beschrieben werden kann). Da gibt es genau die Parameter, die es auch bei den echten Instrumenten gibt. Also zum Beispiel die Hilfsgrößen die eine Pfeife, respektive deren resultierenden Klang ausmachen. Es muss mathematisch analysiert werden was jeweilige Änderungen dieser Parameter bewirken. Eine weitere Mensur beispielsweise oder Deckel auf der Pfeife oder wenn diese konisch zusammenläuft oder was die physikalischen Vorgänge sind wenn eine Pfeife überblasen wird uns wie sich das mathematisch ausdrücken lässt.
Das ist ja alles gar nicht so einfach, denn die Wissenschaft hat nicht auf alle physikalischen klangformenden Vorgänge in einer Pfeife eine eindeutige Antwort. Allerdings versteht man heute schon sehr viel davon dank Strömungsmodellen (von Großrechnern errechnet) etc.
Wenn diese Erkenntnisse einmal in einer Formel ausdrückbar sind, dann habe ich eine digitale Pfeife.
Es muss viel gerechnet werden bis hin zu den Differenzialgleichungen, die mich schon vor vielen Jahren zum Verzweifeln in der Schule brachten. Was aber nicht großartig aufwendig berechnet werden muss ist dann die wechselseitige Beeinflussung von vielen Pfeifen.

Letzter Versuch.

Man nehme den etwas hinkenden aber vielleicht doch helfenden Vergleich mit digitalen Grafiken, also digitalen Bildern.
Es gibt die Pixelgrafiken. Die brauchen wenn sie hochauflösend sein sollen viel Speicher weil jeder Punkt einzeln ausgedrückt werden muss. Und wenn sich dieser ändert weil ich z. B. das Bild einfärbe oder größer oder kleiner mache, dann muss jeder Punkt neu berechnet werden. Beim Vergrößern müssen die fehlenden Punkte interpoliert werden usw. Und es muss komprimiert werden (meist verlustbehaftet) weil ich das sonst nicht in den Speicher bekomme bzw. ich die Bilder nicht mehr schnell genug darstellen kann.
Dann gibt es Vektorgrafiken. Die digitalen Informationen beschreiben hier NICHT wo welcher der Megapixel in welcher der 16 Mio. Farben sein muss sondern schlicht aus was das Bild besteht. Vektorgrafiken beschreiben Vektoren, also bspw. bei einem Kreis wo der Mittelpunkt ist und wie groß der Radius ist. Das ist alles. Dazu muss ich natürlich mathematisch einen Kreis erst mal in eine Formel bringen. Will ich dieses Gebilde, das als Pixelgrafik – je nach Größe und Auflösung – aus vielen Punkten bestünde, nun vergrößern brauche ich nur den Faktor für den Radius in der Formel durch eine andere Zahl ersetzen. Das Tolle ist, dass das in jegliche Richtung verlustfrei und mit ganz wenig Speicherbedarf geht – also höchstauflösend. Auch rechnet sich kein Computer daran zu Tode. Das passiert eher bei der Pixelgrafik (bewegte Pixelgrafiken, also Videos, sind hier ein gutes Beispiel). Wenn ich den Kreis nun an zwei Punkten auseinanderziehe (an sog. Ankern), dann bekomme ich ganz automatisch ein in der Formel mit kleinem Aufwand abgewandeltes Bild, nämlich eine Ellipse. Als Rastergrafik habe ich hingegen nun einen komplett neuen Datensatz, der sich nicht aus dem Vorzustand ableiten lässt. Vektorgrafik ist auf Tonerzeugung übersetzt PM.

Gerade, wenn ich „nur“ 91 TonräDer habe oder eben die relativ wenigen Faktoren die einen Pfeifenklang beeinflussen (ich hoffe kein Orgelbauer liest das und steinigt mich für diese Feststellung), dann eignet sich diese „beschreibende“ Sprache besser als eine „Abbildende“. Und das Tolle wenn alles in einer Formel ist, dass ich diese zueinander in Abhängigkeit bringen kann – ganz einfach und ohne Rechenzentrum. Wenn ich dann hier was verändere ist die Veränderung des Gesamtsystems praktisch automatisch – logisch eben. Bei Sampling hätte ich, wenn zwei benachbarte Pfeifen gleichzeitig erklingen eigentlich eine komplett neue Situation, also ein neues Sample, das ich eben nicht mathematisch aus den Vorzuständen errechnen kann. Mit PM geht das. Und deswegen ist PM immer lebendiger – so wie ein echtes Instrument halt. Um diesen Effekt mittels Samples und nachgeschaltetem Soundprocessing zu bekommen brauche ich Megacomputer à la Hauptwerk und habe immer Latenzen, worunter die Lebhaftigkeit leidet.
Aber wie bei Vektorgrafiken auch, wenn das einzelne Gebilde sehr komplex wird, wird es immer schwieriger die zugrundeliegenden Grundelemente zu finden. Manchmal gibt es gar keine Grundelemente. Ein schönes Frauengesicht mit vielen Sommersprossen lässt sich kaum in einer Vektorgrafik ausdrücken und wenn (manche Programme können das), dann wird diese echt zum Formel-Monster und schwer beherrschbar (na ja, so wie rothaarige Frauen mit Sommersprossen halt sind - heute bin ich echt auf Konfrontationskurs [smile] ). In der Musik sind das z. B. perkussive Elemente oder Geräusche, die keiner Formel folgen. Daher taugt PM nicht um ein Schlagzeug oder den Sound eines drüber hinwegfegenden Hubschraubers zu „formulieren“. Hier wäre die subtraktive Synthese mit entsprechenden Filtern und Modulatoren eindeutig im Vorteil.

Also es gibt nicht die perfekte Lösung. Und wenn, dann wäre dies eine Kombination.

Aber je mehr man über die Physik der Dinge versteht (durch Forschung und Analyse) und je mehr man rechnen kann, umso besser wird das Resultat eines Formelmodells. Und irgendwann – ich weiß, ich mache mir gerade wieder Feinde, aber es wird der Tag kommen an dem man echte Pfeifenorgeln nur noch aus historischen Gründen hat (und hoffentlich erhalten wird). Für mich und meine Ohren ist dies bei der Hammond-Orgel schon fast eingetreten. Und schon wieder böse Blicke – in einem Hammond-Forum wäre ich mit diese Aussage draußen, aber viele überschätzen ihre Ohren (und vor allem ihre Hörverarbeitung) gewaltig. Das Visuelle macht viel aus. Wenn sich das Leslie dreht und (viel nervigen Windlärm macht), die alte Hammond brummt und die Röhren glimmen, dann ist alles besser – fast wie in der guten alten Zeit [smile]


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19.10.2017 07:57
avatar  Machthorn ( gelöscht )
#30 RE: Was ist Physical Modeling eigentlich?
Ma
Machthorn ( gelöscht )

Zitat
Es wird analysiert aus was denn die einzelnen Komponenten bestehen (Pfeifen, TonräDer oder sonst was, was als Generator beschrieben werden kann). Da gibt es genau die Parameter, die es auch bei den echten Instrumenten gibt. Also zum Beispiel die Hilfsgrößen die eine Pfeife, respektive deren resultierenden Klang ausmachen. Es muss mathematisch analysiert werden was jeweilige Änderungen dieser Parameter bewirken. Eine weitere Mensur beispielsweise oder Deckel auf der Pfeife oder wenn diese konisch zusammenläuft oder was die physikalischen Vorgänge sind wenn eine Pfeife überblasen wird uns wie sich das mathematisch ausdrücken lässt.



So soll theoretisch PM funktionieren - theoretisch.

Zitat
Gerade, wenn ich „nur“ 91 TonräDer habe oder eben die relativ wenigen Faktoren die einen Pfeifenklang beeinflussen (ich hoffe kein Orgelbauer liest das und steinigt mich für diese Feststellung), dann eignet sich diese „beschreibende“ Sprache besser als eine „Abbildende“.



Und genau hier irrst du gewaltig. Wir haben die unterschiedlichen Mensuren für durchmesser, Länge, Höhe und Breite des Aufschnitts, Kernstiche, wie weit und in welcher Form sind die Labien eingedrückt, wie konisch sind die Pfeifen etc. Und noch viel schlimmer wird es bei Zungen. Neben den Mensuren spielen hier auch die innere Beschaffenheit der Zunge eine Rolle.

Das Problem dabei ist die Komplexität der Strömungsdynamik. Wir haben es bei Pfeifen mit einem äußerst diffizilen Zusammenspiel vieler unterschiedlicher Strömungen (laminare, frei, wechselnde ABreißpunkte etc.). Jede kleine Änderung an der Bauform, und sei es nur die Tiefe oder Position eines Kernstiches oder der Winkel eines Bartes, hat direkt Einfluss auf mehrere Strömungen gleichzeitig. Da aber alle Strömungsanteile miteinander wechselwirken, hat jede Änderung auch Einfluss auf mehrere Klangparameter. Obendrein sprechen wir nicht nur von den Strömungen, die man kennen muss, sondern auch den daraus resultierenden schwingenden Druckverhältnissen in dem kompletten System, also auch um die Pfeife herum. Hier spielen sogar quantenmechanische Effekte eine Rolle! Nur wer das komplette System vollständig und nicht nur in Näherung beherrscht, kann aus den daraus entstehenden Schwingungen einen realistischen Pfeifenklang erzeugen. Das ist mit gewaltigem Aufwand verbunden! DIe dafür erforderliche Rechenleistung (Echtzeit, 3800 Pfeifen!) ist illusorisch hoch!

Außerdem bietet der Physis-Editor ja gerade eben keine Möglichkeit, auf die Bauparameter einer Pfeife Einfluss zu nehmen, nur auf den resultierenden KJang. Das würde bedeuten, der Editor müsste die gewünschten Klangänderungen intelligent in die Änderung mehrerer Bauparameter umnsetzen.

Zu guter letzt bleibt festzustellen, dass dieser Aufwand für eine Physis-Orgel völlig unnötig ist. Effizient ist, einen bereits im Archiv vorhandenen Klang zu nehmen, auf seine Essenz zu reduzieren und lediglich sein flukuierendes Verhalten nachzumodellieren. Viel billiger, schneller umsetzbar, leichter beherrschbar.

Es bleiben zwei von dir bisher nicht widerlegte Argumente gegen das vollständige modellieren der physikalischen Vorgänge in Pfeifen bei Physis: Die nötige Rechenleistung ist mit heutigen Mitteln nicht in einer Orgel unterzubringen und betriebswirtschaftlich betrachtet wäre es völliger Unsinn, weil es um mehrere Größenordnungen teurer wäre ohne klangliche Vorteile zu bieten.

Ich kann gut verstehen, dass es enttäuscht, wenn man die Magie des eigenen Besitzes angefochten oder entzaubert glaubt. Aber da draußen herrscht nunmal keine Magie sondern Effizienz. Und effizient wäre eine vollständig rechnerisch nachmodellierte Pfeifenorgel nicht, Eine echte Pfeifenorgel könnte sogar billiger sein.


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