Pfeifenorgeln sollten in Kirchen der Normalfall sein

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10.10.2012 09:23
avatar  Schwarzspieler ( gelöscht )
#91 RE: Pfeifenorgeln sollten in Kirchen der Normalfall sein
Sc
Schwarzspieler ( gelöscht )

Es tut mir leid, aber Carpenter stößt mich dann doch eher ab. Seine Auftritte haben mit Orgelmusik, die im Gottesdienst zu Ehre Gottes klingt nun gar nichts mehr zu tun. Würden alle so sein, wie dieser ausgesprochen begabter Künstler, dann wäre das der Ruin der Orgelmusik.

An einer Digitalorgel begeistert mich ja nichts per se. Und damit wird man Niemanden für Orgelmusik gewinnen, wie das Laurie postuliert. An einer Digitalorgel bewundere ich ja dann gerade den pfeifenorgelartigen Klang und nicht die vier Schweller und millionenfache Setzerkombinationen. Es klingt dann immer das Vorbild durch, die Pfeifenorgel eben, die eine gewisse Tiefe hat. Berauschende Virtuosität kann ich auch an einer Pfeifenorgel mit acht Registern demonstrieren.

Aber die Diskussion führt zu keinem Ende, weil es zwei unversöhnliche Meinungen für oder gegen Digitalorgeln in Kirchen gibt und immer geben wird.


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10.10.2012 09:47
#92 RE: Pfeifenorgeln sollten in Kirchen der Normalfall sein
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Moderator

Puh, da sind ja abenteuerliche Versionen über den Einzug der Orgel in der christlichen Basilika in Umlauf ...


Deshalb hier mal – so gedrängt wie möglich – die Fakten: Die Orgel kommt aus der säkularen – um nicht zu sagen: der säkularsten – Szene der Antike: aus dem Zirkus. Den Christen der ersten nachchristlichen Jahrhunderte wäre es nicht im Traum eingefallen, im Gottesdienst ausgerechnet das Instrument zu nutzen, unter dessen Klängen Mitglieder der Urgemeinden vor johlender Menge das Martyrium erlitten haben.
Als die ersten Orgeln dann im 8./9. Jh. in Klosterkirchen in Gebrauch kamen, bedienten sich die Konservativen jener Zeit (die den Untergang des christlichen Abendlandes prognostizierten) genau dieses Argumentes, um dieses neumodische Zeug zu verhindern.
Der Bildersturm der Genfer Reformatoren und des englischen Puritanismus legitimierte noch sechshundert Jahre später damit die Zerstörung vorhandener Orgeln und ein Neubauverbot.

In die Kirche kam die Orgel aus völlig pragmatischen Gründen: Die Schola der Mönche sang den gregorianischen Choral einstimmig und unbegleitet. Mit der ersten Blüte des kontinentalen Mönchtums im 8. Jh. (ausgelöst durch die so genannte iroschottische Mission) wurden die Konvente immer größer, ebenso die romanischen Basiliken, die den Kern eines jeden Klosters dieser Epoche bilden.
Die Magistri Chori machten die Erfahrung, dass der Unisiono-Gesang der Kleriker in dieser Massenbesetzung und in großen Räumen unaufhörlich sank. (Tausende von kath. Gemeinden bestätigen bis heute tagtäglich dieses Phänomen, wenn sie beim a cappella gesungenen „Vater unser“ ins Bodenlose fallen.) Man behalf sich – in der St Gallener Chronik überliefert – zunächst mit ventillosen Blasinstrumenten, sog. Luren oder Tuben, die colla parte (also einstimmig) mitspielten. Diese Urweltinstrumente erlaubten indes nur die Naturtonreihe. Es muss sich etwa so angehört haben, wie wenn der Jagdhornbläserchor Hintertupfing nach der Treibjagd bei Minustemperaturen im Wald „sau tot“ bläst.
Bei der Suche nach einem geeigneten Werkzeug (griech: organon) zur einstimmigen Stützung einstimmigen Gesanges kam man auf die Orgel. Die erste auf deutschem Boden ist anno 826 im Münster zu Aachen überliefert. Anhand eines archäologischen Fundes in Ungarn wissen wir, wie diese Instrumente aufgebaut waren:
Eine einzige Pfeifenreihe mit starrer Mensur. Unter jeder Pfeife eine Schleife, die vom Spieler durch Zug oder Druck geöffnet und geschlossen wurde. Diese „Tasten“ waren (übrigens bis ins 14. Jh. hinein) faustbreit. In der nächsten Entwicklungsstufe stellte man mehrere Pfeifen in Oktavlagen über eine Schleife, das sog. Blockwerk.
Erst ab dem 15. Jh. entwickelt sich eine feingliedrigere Spielanlage mit Registerschleifen und Ventilen, die von schmaleren Tasten angesteuert werden. Bis ins frühe 17. Jh. hinein ermöglichten diese Instrumente lediglich zweistimmiges Spiel.
Wir halten fest: 6 Jh. lang war die Orgel nur dazu da, einstimmig einen einstimmigen Gesang zu begleiten. Eine eigenständige „Orgelliteratur“ hat sich erst ab dem 16. Jh. entwickeln können. Und sie war bis ins 17. Jh. hinein direkt an den Kultus gebunden, d.h. nicht „konzertant“. Buxtehude war wohl einer der ersten, der Werke schrieb, die er in „Konzerten“ einsetzte. Denn bei ihm bestellten sich die reichen Kaufherren Lübecks eine musikalische Erbauung, bevor sie zur Börse gingen. (Man stelle sich das heute vor: Die ganzen Nadelstreifen-Nieten würden in Frankfurt erst im Dom einem Orgelkonzert lauschen, bevor sie in ihren nahe gelegenen Zockertempeln unsere Spargroschen verfeuern ...)
Buxtehudes Konzerte und „geistliche Abendmusiken“ sind also wohl die Geburtsstunde des nicht liturgiegebundenen Orgelspiels.
Und es ist bis heute die Ausnahme. Der Tatbestand, dass es in den kulturellen Oberzentren (des deutschen Sprachraumes) heute ein umfassendes Angebot an Orgelkonzerten gibt, kann nicht verdecken, dass:
1.) der überwiegende Teil des Orgelrepertoires für gottesdienstliche Zwecke komponiert wurde;
2.) dieses Repertoire zum überwiegenden Teil (noch) funktionsgebunden, .d.h. im Gottesdienst, verwendet wird.

Soweit mal.

FG
Michael


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10.10.2012 11:35
#93 RE: Pfeifenorgeln sollten in Kirchen der Normalfall sein
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Moderator

Allen Taschenrechner-Besitzern und Mc-Kinsey-Jüngern mal ins Stammbuch:

Wenn wir Kosten-Nutzen-Rechnungen aufmachen, dann bleibt am Ende folgende Lösung: (*Vorsicht: Satire!*)
3000 € investieren in eine der in vielen Kirchenzeitungen beworbenen Karaoke-Selbstspielmaschinen. Orgelbegleitung von der Festplatte. Die Kosten für Instrument und Spieler entfallen - gleichzeitig dient es dem sozialen Frieden in der Gemeinde, denn da nervt nicht ständig so ein elitär-dünkelhafter Kunstjünger, der für seine musikalische Selbstbefriedigung von der Gemeinde zusätzlich zu seinem "horrenden" Salär auch noch Investitionen im sechsstelligen Bereich erwartet ...
(*Satire aus* - aber ihr wißt ja: Der Satiriker im 21. Jh. muss damit leben, ständig von der Wirklichkeit überholt zu werden.)

Vorsicht, Vorsicht, Leute, vor dem "betriebswirtschaftlichen" Argument. Damit hat man schon florierende Unternehmen kaputt gekriegt. (Immer wenn "Unternehmensberater" und deren Denkweise ins Spiel kommen, dann frage ich mich, wieso führen die Leute, die angeblich genau wissen, wie es geht, selber keine Unternehmen?)

Wer nicht unterscheiden kann, ob ein Orgelton aus einer Pfeife oder einem Lautsprecher kommt, der hört auch nicht, ob es die Lautsprecher einer guten Abstrahlung sind oder die schmalen Dinger, die an den Pfeilern hängen und ans Predigtmikrophon angeschlossen sind. Aus letzteren klingen Bässe wie aus der Mülltonne.

Einer meiner Pfarrersfreunde dachte auch so schlau, als seine Gemeinde ein Spardiktat der hohen landeskirchlichen Finanzkammer traf. Folglich ließ er seine Organistin (die ohnehin aufhören wollte) Choräle aufspielen (ein Freundschaftsdienst, den ich ihm - sorgfältig begründet - verweigert hatte) und spielte sie über die Sprechanlage der Kirche ab. Es waren die Ohrenbenutzer und Hirnbesitzer in der Gemeinde, die ihm daraufhin sagten, zu diesen Geräuschen könne man nicht singen.
Man höre ja keinen klaren Ton ...

Mein Lieblingskabarettist, der sel. Loriot, würde jetzt anmerken: "Das ist fein beobachtet."

FG
Michael


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10.10.2012 12:03
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#94 RE: Pfeifenorgeln sollten in Kirchen der Normalfall sein
Gast
( gelöscht )

Fehlt nur noch die freien Sitzplätze in der Kirche (also fast alle) mit Dummys zu besetzen. Schon haben wir die Kirchen wieder voll und kaum einer (bis auf die paar lebendigen "Dummis" wird sich über irgendwelche abstrusen Orgelgeräusche aufregen.


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10.10.2012 13:04
#95 RE: Pfeifenorgeln sollten in Kirchen der Normalfall sein
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Moderator

Konsequent weiter gedacht, führt die Mc-Kinseyisierung der Kirche dazu, dass sich die "Dummies" dann eine Predigt vom Band anhören. Am besten im Stil amerikanischer Mega-TV-Churches - Kernsätze:" Bekehren Sie sich jetzt und spenden sie AUF DER STELLE. Sonst droht Ihnen EWIGE Verdammnis." (Bei den Katholiken dürfen sie dann ihre Bekenntnisse im Beichtstuhl in ein Mikrophon flüstern. Die Sünden werden im Vatikan von einem "Sinners-Call-Center" zentral verwaltet. Die Buße kommt per E-Mail oder per App - "Appsolution" wäre ein schöner Name - direkt aufs iPhone.)

Oh Mann, oh Mann, da steckt vielleicht satirisches Potential drin. Ich kenne zwei Pfarrer, die ein hammermäßiges Kirchenkabarett machen, denen muss ich das unbedingt mal stecken - für ein Programm "Church 2.0".

FG
Michael


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10.10.2012 15:41
avatar  Anonymous ( gelöscht )
#96 RE: Pfeifenorgeln sollten in Kirchen der Normalfall sein
An
Anonymous ( gelöscht )

D


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10.10.2012 17:50
#97 RE: Pfeifenorgeln sollten in Kirchen der Normalfall sein
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Administrator

Und als kleiner Einwurf: postmodern wird es kaum noch um ein 'Sollen', sondern um ein 'Wollen' gehen.
Was 'man' so alles tun soll, danach kräht heute - Gott sei Dank - kein Hahn mehr.


Ich verkaufe meine Orgel, eine Gloria Concerto 234 Trend DLX. Bei Interesse bitte PN oder Mail.

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10.10.2012 20:04
avatar  pvh
#98 RE: Pfeifenorgeln sollten in Kirchen der Normalfall sein
pv
pvh

Hallo,

Zitat von Mikelectric
Viele dieser Orgeln hier habe ich schonmal angespielt, aber auch regelmäßig wenn ich durch Deutschland reise gibt es Gelegenheiten dazu. In aller Regel sind diese Orgeln auch in einem gut spielbaren - vielleicht nicht immer optimalen - Zustand. In Mecklenburg-Vorpommern sieht es tendenziell vielleicht etwas weniger rosig aus - aber auch nicht hoffnungslos. Überall finde ich in den Auslagen der Kirchen Einladungen zu Orgelkonzerten. Immer wieder begegne ich auch ganz jungen Menschen die gerade eifrig und fasziniert an der Orgel üben.


Mecklenburg-Vorpommern ist vielleicht ein schlechtes Beispiel. Die Zeit-Stiftung hat hier für die Restauration/Überholung von 36 historische (Dorf-)Orgeln gesorgt. Da kann man als Orgelinteressierte/r sehr schön Strand, Seen und Musik im Urlaub verbinden. Ich kenne einen der damaligen leitenden Mitarbeiter der Zeit-Stiftung. Der fand es faszinierend, mit welcher Energie die Bewohner der Dörfer sich für ihre Kirchen und Orgeln einsetzten, auch wenn die oftmals gar keiner Kirche angehörten. Kirche und Orgel als Identifikationsmittel des Dorfes eben. Es gibt aber natürlich auch Kirchen/Orgeln in sehr schlechtem Zustand. Mehr zu den Orgeln in M-V hier.

Beste Grüße von der Waterkant
Christoph P.


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10.10.2012 20:10
avatar  pvh
#99 RE: Pfeifenorgeln sollten in Kirchen der Normalfall sein
pv
pvh

Hallo,

Zitat von Gemshorn
Und als kleiner Einwurf: postmodern wird es kaum noch um ein 'Sollen', sondern um ein 'Wollen' gehen.
Was 'man' so alles tun soll, danach kräht heute - Gott sei Dank - kein Hahn mehr.


das sehe ich ganz anders, Statussymbole ohne die man "out" ist, Normen und sozialer Druck, was "man haben muss", ist heute ebenso hoch wie früher. Das sind aber natürlich in der Regel aber keine Dinge, die mit Kirche und Orgeln zusammenhängen.

Beste Grüße von der Waterkant
Christoph p.


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10.10.2012 22:56
avatar  Piepenpfeif ( gelöscht )
#100 RE: Pfeifenorgeln sollten in Kirchen der Normalfall sein
Pi
Piepenpfeif ( gelöscht )

Mahlzeit,Leute

Zitat von Tabernakelwanze
Klar, wir brauchen keine Kunst, keine Musik, keine Organisation, nichts von dem. Jeder kann in seinem stillen Kämmerlein seine private Religiösität ausleben.


Bitte meinen Text so lesen,wie ich ihn geschrieben habe.
Wer Religion ausleben will,soll das tun dürfen,auch in der Gemeinschaft.Wer Orgelmusik liebt,soll Gelegenheit bekommen,sie zu hören.Wer schöne Kunstgegenstände bewundern will,kann sich daran erfreuen.
Damit habe ich nicht ausgeschlossen,daß all dies auch in einem Kirchengebäude möglich sein kann.
Nur eben mit "Kirche" hat das alles nicht zwangsläufig zu tun.
Es ist meiner Meinung nach das Dilemma,daß viele Menschen die Zustände in der "Kirche" auf die Orgelmusik
projizieren.Ich bin CC und anderen Organisten sehr dankbar,daß er einen Weg aufgezeichnet hat,viele Menschen wieder an Orgelmusik heranzuführen-nämlich ohne Konfessionszwänge und zwangsläufige Verbindung mit "Kirche".
Nur dieser Weg ist erfolgversprechend und sollte fortgeführt werden.
Es gibt in Deutschland zu wenig "nichtchristliche" Konzerthäuser mit großen Orgeln modernster Bauart.
Anstatt jede klapprige Dorforgel restaurieren zu wollen,sollte lieber dort mal ordentlich investiert werden.
Zu warten,bis sich die Zustände in der "Kirche" und damit in den Kirchenräumen normalisiert haben heißt ,
weitere Orgelliebhaber zu verlieren und weitere Orgeln dem Verfall preiszugeben.Irgendwann wird dann nur noch digital musiziert.
Grüßle vom Ekke


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10.10.2012 23:29
avatar  Hymnus_IV ( gelöscht )
#101 RE: Pfeifenorgeln sollten in Kirchen der Normalfall sein
Hy
Hymnus_IV ( gelöscht )

Zitat von Mikelectric

Damit kann man doch höchstens eine Dorfkapelle beschallen. Und da wäre dann aber das gebrauchte PO-Positiv für 5000,- € noch die sinnvollerer Variante. Mit schönem Pfeifenklang und wenigen Registern allemal authentischer als eine DO mit Plastiksound und drei 32-Füßern und spanischen Trompeten.


5.000,- € für ein gebrauchtes PO-Positiv mit "wenigen" Registern.... natürlich generalüberholt und incl. Aufstellung, oder?

Bj. 1980. 5 I/P 18.000 EUR.
Bj. 1958 !! 4+Subbass 16' I/P 11.500 EUR.
Sowie eine zahlreiche Anzahl an gebrauchten Positiven deutlich darüber.

Quelle: http://www.gebrauchtorgeln.de/gebrauchte...-1-1-3-0-0.html

Zudem stelle ich hier die Frage, welcher Organist gibt sich auf Dauer mit einem PO-Positiv einmanualig mit 4 oder 5 Registern und angehängtem Subbass zufrieden? Das beschränkt die Auswahl der zu spielenden Literatur auf ein Mindestmaß, was wohl mehr Frust als Lust hervorrufen dürfte.


Zitat
Wenn wir mal von einer Kleinstadtkirche ausgehen, dann braucht die DO für 15.000 € noch eine vernünftige Abstrahlung die ein mehrfaches der DO kosten wird und schon liegen wir damit bei realistischeren 50.000,- €. Und wer will denn ernsthaft eine Elektrische Orgel 30 Jahre lang benutzen? Demjenigen soll man dann doch heute eine 30 Jahre alte Sakralorgel als Dienstinstrument zuweisen.



35.000 € für die Abstrahlung... Eine Mehrkanal-Abstrahlung von Ahlborn kostete vor 12 Jahren in unserer Kirche noch nicht einmal ein Drittel davon. Und die Kirche hat mit Empore ein "Fassungsvermögen" von ca. 400 Personen. Sind die Preise zwischenzeitlich so gestiegen?

Zitat
Wenn ich mal rosarot denke, dann ist mit einigen Verrenkungen eine Laufzeit von vielleicht 15 Jahren mit der DO machbar. Wenn wir die Haltbarkeit einer Pfeifenorgel mit nur 60 Jahren annehmen, dann brauchen wir in dieser Zeit also 4 neue DO-Installationen. Wenn wir vom jetzigen Zeitpunkt ausgehend die Teuerungsrate in Betracht ziehen, dann kostet jede weitere neue DO in diesen 60 Jahren mehr als die vorherige:

50.000 + 60.000 + 70.000 + 80.000 = 260.000 € in 60 Jahren für Digitalorgeln !!

Für 260.000 € bekommen wir heute auch schon eine einfache Pfeifenorgel für diese Kleinstadtkirche die dann auch 60 Jahre hält (bei guter Pflege vielleicht auch 100 oder 200 Jahre).

Wenn wir mal so tun, als ob die Kosten für Wartung und Reparaturen bei beiden Systemen etwa gleich hoch wären (was wohl hinkommen könnte), dann können sich die Gemeinden fürs gleiche Geld also zwischen einer wohlklingenden echten Pfeifenorgel als Unikat oder einer mehr oder weniger klangsterilen störungsanfälligen Digitalorgel als Imitat entscheiden.




Hmm.. installierst Du zu jeder DO gleich eine neue Abstrahlung? Gehen wir davon aus, dass nur bei jeder 2. Orgelinstallation die Lautsprecher rausfliegen, siehts wieder anders aus. Instandhaltungskosten bei heutigen Digitalorgeln? Wir sprechen heute von "Computerorgeln". Steckkarte ausgetauscht, neues Netzteil, neues Display... mehr gibts wohl nicht zum Austausch. Die Zeiten von hängenden Tasten, defekten Röhren oder angerosteten Kontakten... das ist leider noch in den Köpfen aus den 70ern....

Nehmen wir jetzt noch die realen Kosten für eine Pfeifenorgelwartung / Reparatur (jährlich 10% der Kosten einer DO (15.000 EUR))... ist die DO nach 10 Jahren allein durch die Wartungskosten der PO bezahlt.

Nein, ich verfechte hier nicht vehement den Einzug der DOs, auch ich freue mich über die eine oder andere P'feifenorgel, die in einem wirklich guten Zustand das Herz jedes Organisten erfreut, Sie ist schließlich das Original, die DO die Reproduktion.

Und auch in Baden-Württemberg sucht man jeden Cent zur Orgelrestauration, da und dort. Ich habe in jungen Jahren auf vielen Orgeln in BW spielen können. Ein Orgelbauhelfer der selbst nicht spielen konnte, aber fast überall die Tür aufmachen konnte, nahm mich quer durch BW auf die Reise mit. Ich durfte spielen, er nahm das ganze auf Tonband auf. Nur ein kleines Beispiel:
In Waldstetten steht eine Köberle-PO, Bj. 1965. Das ist die einzige Orgel, die sich nun mittlerweile über 25 Jahre in mein Gedächtnis eingebrannt hatte, ich war damals der Meinung es war für mich das schönste Instrument vom Klang her... Vor 2 Jahren hatte ich die Möglichkeit darauf nochmals zu spielen. Ein Grauss... Nun sammelt die Gemeinde für die Restaurierung der Orgel. So siehts bestimmt auch in vielen anderen Kirchen aus. Jahrelang geknausert an der Wartung.


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11.10.2012 09:03
avatar  pvh
#102 RE: Pfeifenorgeln sollten in Kirchen der Normalfall sein
pv
pvh

Hallo,

Zitat von Wichernkantor
Allen Taschenrechner-Besitzern und Mc-Kinsey-Jüngern mal ins Stammbuch:
[...]
Vorsicht, Vorsicht, Leute, vor dem "betriebswirtschaftlichen" Argument. Damit hat man schon florierende Unternehmen kaputt gekriegt. (Immer wenn "Unternehmensberater" und deren Denkweise ins Spiel kommen, dann frage ich mich, wieso führen die Leute, die angeblich genau wissen, wie es geht, selber keine Unternehmen?)


sehe ich ähnlich. Diese betriebswirtschaftliche Argumentation ist ja heute sehr beliebt. Wenn oben ausgerechnet wurde, dass eine Orgel pro Gottesdienst und Kirchenbesucher 67 Euro kostet (auch wenn das sich auf eine DO für eine winzige Gemeinde bezog), so muss ich sagen, dass das doch noch günstig ist verglichen mit den Mitteln, mit denen eine Opernkarte subventioniert wird. Noch schlimmer steht es um die Kunst im öffenlichen Raum, wenn man einmal ausrechnet, was ein Skulptur kostet pro Person, die es sich ansieht und der es auch gefällt. Es geht doch grundsätzlich bei der Orgel um ein Stück Kultur, für die sich der Einsatz genauso lohnt wie für Kunst, Theater, Brauchtum, historische Gebäude, die Büroanlagen oder schicken Wohnappartments im Wege stehen, oder für ganze Fachbereiche an Universitäten nach dem Motto: "Philosophie, Geschichte, Literatur des Mittelalters - weg damit, kostet nur Geld und bringt nichts". Hier im Nordosten hat die DDR jahrzehntelang ganze Arbeit geleistet und das Bildungsbürgertum dezimiert bis auf klägliche Reste (siehe aktuell auch Roman und Film "Der Turm". Techniker, Ingenieure und Betriebswirte allein können aber keine attraktive Gesellschaft prägen. Das ist in meinen Augen auch ein Grund, warum es hier im Gebiet der ehemaligen DDR wirtschaftlich nur in Trippelschritten vorangeht. Nur so nebenher: Wenn ich hier im Nordosten auf engagierte, gebildete, mutige Leute treffe, dann haben die sehr, sehr oft einen kirchlichen Hintergrund. Kultur prägt psychologisch die Atmosphäre einer Stadt/Region/Gesellschaft und ist damit auch Grundlage für die Wirtschaft. Und Kirchen und Orgeln sind eben ein Stück Kultur unserer Gesellschaft. Darum in meinen Augen unverzichtbar und jeden Einsatz wert. Punkt.

Ob das gelingt ist eine ganz andere Frage. Wer weiß, vielleicht herrschen hier in 50 Jahren religionsfeindliche Technokraten oder radikale Salfisten, die könnten dann dem Beispiel des DDR-Regimes folgen und Kirchen samt Orgeln sprengen. Dann kann ich auch nichts machen, außer mich vielleicht nach Lateinamerika zurückzuziehen - die Verbindung von Katholizimus und indianischen Traditionen hat ja auch etwas, wie beispielsweise der "Diá de los Muertos", den wir demnächst wieder feiern können. Mal sehen, vielleicht kann mir ja einer meiner Bekannten Zugang zur Orgel in der Kathedrale von Ciudad de Mexico (Mexico City) verschaffen.

Beste Grüße von der Waterkant
Christoph P.


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11.10.2012 10:13
avatar  emsig ( gelöscht )
#103 RE: Pfeifenorgeln sollten in Kirchen der Normalfall sein
em
emsig ( gelöscht )

Bei meiner obigen Rechnung ging es nicht um große Kultur oder "Philosophie, Geschichte, Literatur des Mittelalters", sondern um ein Stück Elektronik für 8000€, das in wenigen Jahren möglicherweise für ein paar Euro bei eBay verschachert werden muß, wenn es nicht in einer staubigen Ecke vergammeln soll. Das Anliegen, den Leuten, die es etwas angeht, bewußt zu machen, was sie bezahlen und was sie bekommen, den "Taschenrechnerbesitzern" als "McKinseysierung" ins Stammbuch schreiben zu wollen, finde ich schäbig, und der Vergleich mit Opernkarten hinkt ganz schön. Die Zukunft der Gemeinde (wir reden von (noch?) 8-15 Personen, die sich einmal im Monat treffen) hängt gewiß nicht davon ab, ob sie eine neue 8000€-Digitalorgel oder einen alten Hobel als Liedbegleitung hat. Hingegen wird die Zukunft der Orgel davon abhängen, ob und wie lange die Gemeinde noch besteht. Das gilt für jede Art von Orgel in einer Kirche. Wenn die Orgel als Instrument und Orgelmusik als Musikgattung überleben sollen, müssen sie sich von Kirche und Religion lösen, da stimme ich Piepenpfeif 100% zu.

Gruß,
Markus


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11.10.2012 17:24
avatar  Anonymous ( gelöscht )
#104 RE: Pfeifenorgeln sollten in Kirchen der Normalfall sein
An
Anonymous ( gelöscht )

und weg [grin]


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21.10.2012 21:44
avatar  pvh
#105 RE: Pfeifenorgeln sollten in Kirchen der Normalfall sein
pv
pvh

Hallo,
ich war heute in einem Gottesdienst, bei dem eine Digitalorgel eingesetzt wurde. Mein PläDoyer: Wenn schon DO in der Kirche, dann bitte möglichst vom Feinsten, lieber nur wenige Register, von mir aus einmanualig und ohne Pedal, aber dafür möglichst hohe Klang-Qualität.
Beste Grüße von der Waterkant
Christoph P.


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