Hamburg zum dritten Mal ohne Notengeschäft

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20.06.2025 16:50 (zuletzt bearbeitet: 20.06.2025 16:52)
#1 Hamburg zum dritten Mal ohne Notengeschäft
La

Das Hamburger Abendblatt berichtet heute ausführlich hinter Bezahlschranke, dass die Inhaberin ihr Notenfachgeschäft "Melodie" in der Innenstadt aufgibt. Frau Teveßen hatte den Laden 2019 eröffnet, weil es in HH kein Notengeschäft mehr gab; sie hatte bis 2016 bei Bartels-Noten in unmittelbarer Näge gearbeitet, der wiederum die Lücke hatte schließen wollen, die die Aufgabe des Steinway-Hauses (in dem auch mal Ahlborn-Orgeln verkauft wurden) in der Nachbarschaft gerissen hatte. Ein Notengeschäft passte auch recht gut auf diesen Bereich.

Aus für Melodie-Noten

Der Artikel ist recht ausführlich, doch stechen mehrere Punkte von mMn allgemeinem Interesse hervor:

Eine Großbaustelle (am nahen Jungfernstieg) reichte, um die Kundenfrequenz um ein Drittel zu senken. Die vor vielen Jahren mal edle Einkaufsstraße ist derzeit heruntergekommen und weist bereits 12 Leerstände auf. Auch das vertreibt Laufkundschaft, die offenbar "nur" für Noten nicht mehr dorthin kommt.

Für die Ladenmiete (95qm), Notenbeschaffung, zwei Teilzeit-Kräfte und einen Mini-Jobber braucht sie monatlich 25.000 Euro! Ihr aktueller Umsatz erwirtschaftet seit längerer Zeit nur noch etwa die Hälfte. Sie selbst lebe nach eigenen Angaben bereits unter der Armutsgrenze.

Aus dem Mietvertrag kommt sie aber für die nächsten drei Jahre nicht raus, wenn sie keinen Nachmieter präsentieren kann (was bei der Situation vor Ort auch nicht einfach sein dürfte).

Schulen, Kitas, Orchester und Chöre sparen und mieten Noten nur noch oder kaufen diese in digitaler Form - beim Verlag direkt.

Mit absurd hohen Mieten, dem Sparen an der Musik und dem digitale Notenkoffer sind solche Spezialgeschäfte offenbar nicht mehr zu halten. Dann reicht eine Baustelle und das war es.


Ich las irgendwo einmal, dass die Stadt Paris durch die Übernahme von vielen kleinen Ladengeschäften und deren Vermietung zu günstigen Preisen erreicht hat, dass in vielen Vierteln noch kleine exotischenund damit wirklich interessante Geschäfte erhalten bleiben können.

(Transparenzhinweis: Ich bin mit dem Laden in keiner Weise irgendwie verbunden.)


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20.06.2025 17:10
#2 RE: Hamburg zum dritten Mal ohne Notengeschäft
cl

Das ist wie hier in Köln bei Tonger :-(
Da wurde ich zu besten Zeiten begrüßt: "... nach was für einer Orgel-Spezialität suchen wir denn heute?"
Und was haben die Damen dort alles möglich gemacht und auch beschafft.... KM war damals im Kommen. In einer Schauvitrine waren die 3 Leinenbände à (ca. 320 Seiten) von "The Complete Organist" ausgestellt. Meine Stammverkäuferin legte sie mir ans Herz. Davon konnte ich mir damals nur den 1. Band leisten.
Für eine Bet- Singmesse gab es 12,-Mark, die noch zu versteuern waren....
Meine Lieblingsverkäuferin legte mir den 2. und 3. Band ... für später zurück. Bis heute habe ich diese Anschaffung nie bereut.
Leider gibt es diese Institution des geballten Fachwissens in Köln schon jahrelang nicht mehr.

Liebe Grüße vom Clemens

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20.06.2025 17:45
avatar  Sc1978
#3 RE: Hamburg zum dritten Mal ohne Notengeschäft
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Das Problem ist nicht auf Hamburg oder Köln beschränkt. Hier in Düsseldorf gibt's zwar noch Jörgensen, das gehört aber auch zur Bauer und Hieber Gruppe.
Als ich letztes Jahr bei Bartels in Bremen war, war ich vom Sortiment sehr enttäuscht. Was die in den 1990ern noch an spannenden Orgelausgaben hatten, beschränkte sich mittlerweile auf die gängigen Bände von Bärenreiter und Strube. Und die Öffnungszeiten waren sehr eingeschränkt.
Wenn ich was spezielles brauche frage in bei Landsiedel Becker in Wuppertal, die Inhaberin ist selber Kirchenmusikerin und versucht alles möglich zu machen.

Plz 40591


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20.06.2025 18:35
avatar  wohli
#4 RE: Hamburg zum dritten Mal ohne Notengeschäft
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Gibt's in D'dorf eigentlich noch Fratz in der Kaiserstraße? Die waren in den 1990ern recht gut sortiert bei Orgelnoten ...


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20.06.2025 18:48 (zuletzt bearbeitet: 20.06.2025 18:51)
avatar  Sc1978
#5 RE: Hamburg zum dritten Mal ohne Notengeschäft
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Nein, nach dem Tod der alten Frau Fratz, haben sie leider nicht weiter gemacht. Alles ohne großes Aufsehen, irgendwann bin ich vorbei gefahren und der Laden war leer. Sehr schade, war immer etwas durcheinander, aber immer sehr gemütlich noch einen Plausch mit Frau Fratz zu führen...
Muss kurz nach Corona gewesen sein.

Plz 40591


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20.06.2025 22:25
#6 RE: Hamburg zum dritten Mal ohne Notengeschäft
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In Wuppertal haben wir noch ein sehr gut sortiertes Fachgeschäft, mit einer außerordentlich kompotenten Inhaberin. Ihre Mitarbeiterin ist unlängst in Rente gegangen, jetzt hat der Laden nur noch an 3 Tagen in der Woche geöffnet.
Da auch hier keine Nachfolge in Sicht ist, ist es auch hier eine Frage der Zeit bis es das Geschäft nicht mehr gibt.
Ich werde die Fachsimpeleien und die Sätze, die mit „Kennst du schon“ oder „Ich hab da was für dich“ vermissen.

Das erinnert mich an den Untergang der Schallplatten „Fachgeschäfte“


Gloria Nobilis 352

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20.06.2025 22:40
#7 RE: Hamburg zum dritten Mal ohne Notengeschäft
Do

Der Internethandel hat da sicherlich an erster Stelle seinen Teil dazu beigetragen. Das fing ja mit Ewers an, der mit seinem gedrucktem Katalog die ganzen Franzosen präsentierte, die Du im normalen Handel nur schwerlich bekamst. Da hast Du dann Deine Postkarte oder später die Mail hingeschickt und Du bekamst die Noten mit Rechnung. Dann kam Bodensee-Musikversand auf den Plan, hat inzwischen wohl den größten Marktanteil neben den einzelnen Verlagen, die auch alle ihre Online-Shops haben. Ja, das ist praktisch auf der einen Seite, ABER: was Clemens schon beschrieb Frau H. von Tonger kannte ihre Kundschaft, wusste, was sie an Noten empfehlen konnte. Und Frau H. kannte auch (sie sang in mehreren Chören) welche Ausgaben wie gut waren. Ich erinnere mich an folgende Begebenheit: „Ach, nehmen sie das Orchestermaterial von Peters, das ist besser zu lesen für die Musiker, die Chornoten nehmen sie von Breitkopf, da sind weniger Fehler drin im Text als bei Peters und die Ziffern sind überall gleich gesetzt - und die Chornoten sind noch was billiger“.

Genau das ist, was junge Musiker brauchen: einen erfahrenen Händler, der ihnen Sachen empfiehlt, hilft. Meine ersten großen „Ereignisse“ mit Chor und (kleinem) Orchester - wie spröde wäre die Programmgestaltung ausgefallen, wenn nicht eine so patente Fachfrau mit geholfen hätte.

Und ja, die Mieten sind für alle Händler inzwischen der Genickbruch….


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21.06.2025 11:16
avatar  Sc1978
#8 RE: Hamburg zum dritten Mal ohne Notengeschäft
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Oh, Henriette macht nur noch drei Tage auf?
Ist das Antiquariat noch da? Ich gebe zu, dass ich früher häufiger nach Wuppertal fuhr.....
Die Gespräche mit Henriette und Ulrike waren immer sehr nett.

Plz 40591


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21.06.2025 13:38
#9 RE: Hamburg zum dritten Mal ohne Notengeschäft
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Das Antiquariat wurde im Mai aufgelöst


Gloria Nobilis 352

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22.06.2025 09:59 (zuletzt bearbeitet: 22.06.2025 10:00)
avatar  Mixtura
#10 RE: Hamburg zum dritten Mal ohne Notengeschäft
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Das Sterben der Notengeschäfte ist schon traurig. Die meisten derjenigen, die auch einen Internetshop haben, können so überleben. Ich bestelle auch viel, ganz einfach, weil es auf dem platten Land diese Spezialgeschäfte nicht gibt. Immerhin kann ich das in dem Geschäft tun, wo ich vor … ziemlich genau 50 Jahren mein erstes Klavierheft kaufen durfte. (Das habe ich immer noch )
Zugegebenermaßen funktioniert das mit Digitalnoten dann nicht mehr.


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22.06.2025 12:10 (zuletzt bearbeitet: 22.06.2025 13:24)
avatar  pvh
#11 RE: Hamburg zum dritten Mal ohne Notengeschäft
pv
pvh

Hallo,

sicher ist das irgendwie traurig, aber anders herum aus der Sicht von Personen wie mir, die sonntags neben- oder ehrenamtlich im Gottesdienst Orgel spielen:
Wer von den Personen, die hier im Forum aktiv sind, hat denn in den letzten 15-20 Jahren wie viele Noten in Fachgeschäften gekauft? Zum einen war das sowieso nur für wenige in größeren Städten möglich; hier ist im Faden ist die Rede von Wien, Hamburg, Wuppertal, Düsseldorf, Köln, Bremen. Ich selbst habe Noten nur noch vor Ort gekauft, wenn ich zufälligerweise am Rande einer Dienstreise etwas Zeit in Salzburg oder Hamburg hatte. Kann ein Geschäft von solchen Gelegenheitskäufen leben? Beratung habe ich als Laufkunde da nie bekommen und auch nicht erwartet. Die letzten Noten habe ich vor etlichen Jahren in Madrid gekauft, aber auch nur, weil die Versandkosten von Spanien exorbitant teuer sind.

Weiter kenne ich das von vielen meiner und der Generation vor mir so, dass sie eben 3, 4 Notenhefte haben und daraus ihre gottesdienstliche Musik bestreiten. Und die haben sie meist über den Orgellehrer oder auf Empfehlung bestellt (früher per Post, heute per Mail oder im Webshop). Die sind alle keine potenzielle Kundschaft für ein Notengeschäft. Übrigens hat C. H. Rinck seine Noten anscheinend auch schon überwiegend an Abonnenten und nicht über Geschäfte verkauft.

Bei den Notenheften, die ich habe, frustriert mich bisweilen, dass ich daraus oftmals nur 1 oder 2 Stücke ins Repertoire übernommen habe und der Rest brach liegt. Das ist nicht nur ein finanzielles, sondern auch ein Platzproblem.

Wenn man sich hier im Forum umsieht, stellt man fest, dass sehr viel Beratung zu Noten erfolgt. Die ist vielleicht sogar viel intensiver, als die im Notengeschäft sein kann, weil sie auch auf den Erfahrungen der Ratgebenden beim Einsatz im Gottesdienst beruht. Auch werden Verweise oder links eingestellt, wo man sich einzelne Stücke kaufen oder sogar kostenlos, etwa bei imslp, downloaden kann. Ist das nicht dasselbe wie der hier oft gehörte Ruf nach der modularen Digitalorgel? Auch gibt es immer wieder Fragen nach Tablets als Notenheft. Hat je einer hier seine Noten fürs Tablet im Fachgeschäft gekauft?

Beste Grüße von der Waterkant
Christoph P.


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22.06.2025 14:37 (zuletzt bearbeitet: 22.06.2025 14:37)
avatar  SJL
#12 RE: Hamburg zum dritten Mal ohne Notengeschäft
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SJL

In "guten alten Zeiten" hatte ich in der Tat hin und wieder mal ein paar Stunden in den Läden (nota bene: Mehrzahl!) meines Einzugsgebiets verbracht, um ein bisschen zu stöbern und ggf. spontan etwas einzupacken, wenn es gefiel. Im Internet würde ich das sicherlich nicht tun, dort würde ich eher ganz gezielt etwas bestellen. Muss übrigens gestehen: ausgedruckte DIN-A4-Blätter aus Gratis-Notenbibliotheken oder gar digitale Noten auf dem Tablet machen mich leider überhaupt nicht an. Das mag für viele die Zukunft sein (oder sogar schon die Gegenwart), für mich eher nicht.


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22.06.2025 14:39
avatar  SJL
#13 RE: Hamburg zum dritten Mal ohne Notengeschäft
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SJL

Habe zu meinem letztjährigen Wiegenfeste noch einen Gutschein bekommen für ein lokales Notengeschäft, letztens hatte ich dann Muße zum Schauen, und schwupps - der Laden war weg...


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22.06.2025 15:19
#14 RE: Hamburg zum dritten Mal ohne Notengeschäft
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Administrator

Keine Sorge, die Buchhandlungen sind die nächsten...
Mich wundert ja, dass es Mediamarkt noch gibt.


Johannus Opus 260


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22.06.2025 15:26
avatar  Sc1978
#15 RE: Hamburg zum dritten Mal ohne Notengeschäft
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Dafür werden die Saturn Märkte weniger. Und die, die es noch gibt, werden MediaMarkt zumindest in Deutschland.

Plz 40591


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