Für Fachleute in Mixturen

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26.05.2023 23:16
#16 RE:Für Fachleute in Mixturen
Ch

Zitat von Ippenstein im Beitrag #51
Mich würde mal interessieren, wie Christian zu seiner Einschätzung der Mixtur kommt.

Wir haben hier viele Orgeln im Thüringer Becken die vom Orgelbaumeister Friedrich Erdmann Petersilie stammen. Er war quasi mit der Erfinder der romantischen Orgeln. In den Archiven hier gibt es daher viel an Dokumentation zu den Ausführungen und Klang. Einige Aufzeichnungen vor allem zum Einsatz der Register sind auch noch von seinem Lehrmeister Johann Friedrich Schulze.

Diese ganzen Aufzeichnungen legen nahe, dass die Mixturen damals eher für bestimmte Sequenzen gedacht waren. Ich kenne hier auch einige der Orgel, welche noch erhalten sind und klanglich nicht verändert wurden. Die Mixturen dort sind nett gesagt gruslig. Im Grunde kann man einfach sagen, es sind extrem schrille und Laute Aufsätze die zum Rest überhaupt nicht harmonieren. Wenn man an den hier erhaltenen Orgeln die Mixtur hinzunimmt, dann ist vom Rest nicht mehr viel übrig, da diese schrillen Klänge die teilweise schon unangenehm sind alles überlagern.

Die benannten Orgel sind aus der Zeit 1860 bis ca. 1890. Danach wurde es besser. Ich muss zugeben, dass ich da auch durch die Orgeln hier Mixturgeschädigt bin. Beim Gedanken daran tun mir die Ohren schon klingeln...

In einem Dorf hier haben wir ein Instrument für welches man eigentlich einen Waffenschein bräuchte. Eine sehr hoch gestimmte Orgel irgendwas bei 448 Hz. Ein angehängtes Pedal, schriller Prinzipal 8" welcher von der noch schrilleren Oktave 4" ergänzt werden kann und wenn dann noch keiner Ohrenschmerzen hat kann man gerne noch eine Mixtur dazu nehmen, die alles noch überbietet und wirklich klanglich mit einer Rückkopplung eines Mikrofons zu vergleichen ist... Ich glaube diese Beschreibung ist passend für viele der ersten romantischen Orgeln hier...

Zitat von orgelditi im Beitrag #50
und wird in Deutschland schlicht \'Tutti\' genannt und in Frankreich \'Grand Choer\'."

Ich habe bisher noch keine allgemeingültige Definition zu Tutti gefunden was diese umfasst. Feste Kombinationen an Orgeln sind dort ja recht spannend. Da scheint jeder Orgelbauer ja seine eigenen Ansichten zu haben. Ich kenne Tutti z.B als "Alles was zusammen spielbar ist" bis hin zu "Alles außer Zungenstimmen" und dazwischen gibt es ja auch noch einiges. Gibt es da eine allgemeine Empfehlung was bei einem heute üblichen Tutti dabei und nicht dabei sein soll?


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26.05.2023 23:33
#17 RE:Für Fachleute in Mixturen
Br

Ich kenne tutti als „alles außer Schwebungen und Quintatön“. Es soll halt einfach maximal laut zugehen.


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26.05.2023 23:50 (zuletzt bearbeitet: 26.05.2023 23:52)
#18 RE:Für Fachleute in Mixturen
Ch

Zitat von Christian_Hofmann im Beitrag #52
Beim Gedanken daran tun mir die Ohren schon klingeln...

Für alle die mutig sind habe ich mal eine Aufnahme aus dem Dezember rausgesucht wo ich mit der Mixtur bei uns gespielt habe. Diese Mixtur ist noch "gemäßigt", überlagert aber alles. Und wer schmerzfrei ist, der kann es sich mit Kopfhörer anhören, da hört man so richtig schön, dass die höheren Töne einfach nur ein unangenehmes Pfeifen sind. Das liegt tatsächlich nicht an der Aufnahme, so klingen die Mixturen bei uns in der Region. Wie gesagt, es ist eine gemäßigte, die anderen sind noch einiges stärker... Selbst der 32" im Pedal kommt da überhaupt nicht mehr durch.

Aufnahmeort war im Chor, also am anderen Ende des Gebäudes.

Dateianhänge
  • meine-aufzeichnung-2_NVmqmiNZ.mp3

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27.05.2023 01:10
#19 RE:Für Fachleute in Mixturen
cl

In meinen Ohren ist das eine tiefliegende Mixtur, die eine gesunde Unterfütterung benötigt. Die gravitätische Wirkung als "erschütternder" effekt Wirkung dürfte so dem dem damaligen Zeitgeschmack entsprochen haben. Wenn ich recht erinnere habe ich eine ähnlich gravitätische Mixtur an einer großen frisch restaurierten Orgel von Schulze Paulinzella mit Ippenstein gehört. Die Wirkung im Raum empfand ich als grandios.

Liebe Grüße vom Clemens

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27.05.2023 02:12
#20 RE:Für Fachleute in Mixturen
Ge

Zitat von pvh im Beitrag #49

das klingt ein bisschen nach dem Überbleibsel eines mittelalterlichen Blockwerks...




Das könnte man meinen. Blockwerk stand meines Wissens auf 8 oder gar 16‘ Basis. Die besagte Mixtur steht auf 2‘. Natürlich mit Terzen und vielen Verdoppelungen der Chöre. So gesehen Blockwerk wäre mir fast lieber.


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27.05.2023 02:36
#21 RE:Für Fachleute in Mixturen
Ch

Zitat von clemens-cgn im Beitrag #55
Die gravitätische Wirkung als "erschütternder" effekt Wirkung dürfte so dem dem damaligen Zeitgeschmack entsprochen haben.

Mir gefällt es nicht. Aber es kann auch einfach eine eigene subjektive Meinung sein. Geschmäcker sind verschieden.

Davon abgesehen sehe ich durchaus meinen Fehler, dass ich eine vermutliche eigene Vorliebe als etwas allgemeingültiges dargestellt habe. Ignoriert das bitte, da lag ich vermutlich falsch.


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27.05.2023 04:06 (zuletzt bearbeitet: 27.05.2023 04:12)
avatar  live3TA
#22 RE:Für Fachleute in Mixturen
li

Given that I have been given "Scholar" title in the forum, I agree with @Gemshorn that there might need to be an adjustment to such titles--I am an enthusiast/amateur at best!!!

But, from listening to live organ concerts, listening to many recordings, and reading in performance practice over 40+ years, it would be puzzling AND big news indeed if mixtures aren't an option for many organ works by J.S. Bach including contrapuntal ones.

@DigitalPipes embedded video of Ton Koopman corresponds well with the below excertps from Harald Vogel's article "North German Organ Building of the Late Seventeenth Century" from the 1986 book J.S. Bach as organist : his instruments, music, and performance practices

In the first article excerpt, "Praetorius" is Michael Praetorius. In the second excerpt, note the reference to the stylus phantasticus use of various plena which can include mixtures because of how well the instruments' divisions blend. Incidentally, co-editor of the book mentioned George Stauffer will release a new book on the organ music of J.S. Bach this or next year and it has been noted that it is likely to be an updated successor to Peter William's books of the same topic.:

HVogel_JSBach_counterpoint_use_of_plenum.jpg - Bild entfernt (keine Rechte)



HVogel_JSBach_stylus_phantasticus_use_of_plenum.jpg - Bild entfernt (keine Rechte)


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27.05.2023 12:23 (zuletzt bearbeitet: 27.05.2023 12:24)
#23 RE: RE:Für Fachleute in Mixturen
cl

Zitat von Brassmann im Beitrag #17
Ich kenne tutti als „alles außer Schwebungen und Quintatön“. Es soll halt einfach maximal laut zugehen.

Also "Tutti" klingt für jede Komposition auf jeder Orgel anders, wenn musikalisch gültig musiziert werden soll, andernfalls entsteht bestenfalls harmonischer Krach.
Bei elektrischen/pneumatischen Registertraturen gibt es häufig im Spieltisch eine wertvolle Registrierhilfe die sogenannten "Einzelabsteller". Mit deren Hilfe kann ich z.B. ein völlig verstimmtes Regal für alle Registrierwege blockieren. Oder Register, in denen gerade ein Heuler auftritt. Diese Absteller kann ich allerdings auch dazu benutzen die feste Kombination des "TUTTI" zu modifizieren, in dem ich z.B. hochliegende Zymbeln und Scharffs z.B. für ein Regerplenum von vorn herein generell gar nicht erst als Klangfarbe zulasse. Diese Einzelabsteller haben dann ausschließende Wirkung auch auf die Walze und die festen Kombinationen (hier das Tutti) und auch auf die Hanregister!
Auf den heutigen Digitalorgeln, läßt sich das Tutti/FF ebenfalls setzen und damit der jeweiligen Literatur anpassen. Diese Einzelabsteller sind heute im Zuge der inflationären Setzer aus der Mode gekommen.
Es wäre hier also klüger von einem registrierten "Organo Pleno" zu sprechen. Solch ein Plenum klingt für einen süddeutschen Muffat sicher anders, als für Reger, Karg-Elert, Bach, Buxtehude, Bruhns, Krebs.
Darüber hinaus gibt es Länderspezifica: z. B. kennt die klassisch italienische Orgel sogenannte Ripieni. Dort muß man seinen gewünschten Mixturklang aus den Einzelchören erst zusammensetzen. Ein Gruppenzug ist dort häufig mit Tutti bezeichnet, der die "Mistura" komplett zieht.
In Frankreich gibt es den Grand Choeur, Grands Jeux, Plein Jeu ...
Als Hilfe zum Erlernen von in etwa stilgerechten Registrierungen, lohnt sich die Anschaffung von:
Klinda: Orgelregistrierung – Klanggestaltung der Orgelmusik, erschienen bei Breitkopf&Härtel

Liebe Grüße vom Clemens

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27.05.2023 12:32
#24 RE: RE:Für Fachleute in Mixturen
So

Vielen Dank, Clemens!


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27.05.2023 13:22
#25 RE: RE:Für Fachleute in Mixturen
cl

Liebe Grüße vom Clemens

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27.05.2023 16:33 (zuletzt bearbeitet: 27.05.2023 16:35)
#26 RE: RE:Für Fachleute in Mixturen
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Nachdem Clemens die Mixturen der Schulze-Orgel in Neikerng angesprochen hat und wir heute ebenda Konvent gehabt hatten, kurz die Info: Mixtur gravitätisch und glänzend, Cymbel nicht bissig, eher Erweiterung der Mixtur, das Scharff hat Schärfe und hellen Glanz, aber nicht bissig. Reines Prinzipalplenum dazu ist zu mager, beim Tutti aber wird der Klang auf der Empore dick und plump. Gutes Registrieren ist gefragt, um der Klangkrone ein schönes Fundament zu geben. Die Rauschpfeifen taugen mitunter auch schon als kleine Mixturen. Prinzipal 8 und 4 haben einen ordentlichen Obertongehalt, so daß zum Begleiten der Gemeinde höhere Register nicht notwendig sind. Der Raum trägt ungemein und das Plenum dürfte in den Bänken brachial ankommen. Der Wind ist ca 90mm Ws. Man erreicht mit wenigen Registern schon viel.

Gegenstück eine neobarocke Orgel in Bad Elster mit steilem Aufbau, dadurch und durch die Dispo wie Into schlanker Ton, Mixturen treten im Plenum deutlich hervor. Keine Streicher.
Im Gestühl ist die Orgel vergleichsweise leiser als Neikerng.


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27.05.2023 20:24 (zuletzt bearbeitet: 27.05.2023 20:24)
#27 RE: RE:Für Fachleute in Mixturen
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Und nun noch der gute alte Mahrenholz.

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28.05.2023 20:07 (zuletzt bearbeitet: 28.05.2023 20:09)
#28 RE: RE:Für Fachleute in Mixturen
cl

Die Klangbeurteilung der Schulzeorgel ist ausschließlich aus der Hörerperspektive im Kirchenschiff zu beurteilen. Der amtierende Kantor hat sie uns ja in Einzelstimmen, wie auch in unterschiedlichen Plena bei leerer Kirche vorgeführt. Im Kirchenschiff habe ich sie als prompt und präsent erlebt. Das Instrument wurde ja für eine gefüllte Gemeinde konzipiert. Bei gut gefüllter Kirche ist sie dann halt genau richtig.
Wenn ich Schulzes Denke richtig verstanden habe, ist er nie von einem Tutti (alles, was geht) ausgegangen. Die Kalkanten hätten dem Organisten bei soviel Windverbrauch sicher einen erzählt.
Auch seine kleineren Plena, die mit seinen zauberhaften Flöten und Streichern wohl registriert sein wollen.
Daß hier das Prinzipalplenum + Mixtur für unser heutiges Geschmacksempfinden suboptimal erscheinen mag, wird relativ schnell daran relativiert, wenn die damalige Musizierpraxis mit ins Gedankenspiel einbezogen wird. In diesem Raum mit seinen akustischen Besonderheiten, gehört für mich für einen Begleitsatz bei voller Kirche der 16´ im Manual im Mixturplenum (ohne Zymbel) dazu. Und dann hab ich es klanglich als passend in hörender Erinnerung ;-).

Liebe Grüße vom Clemens

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28.05.2023 21:16
#29 RE: RE:Für Fachleute in Mixturen
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Ganz richtig, lieber Clemens. Meine Intention für den Faden war, daß die Mixturen zwar ordentlich da sind und brillieren, aber nicht in den Ohren wehtun. Für ein schönes Plenum kann und muß man einige der vielen 8-Füßler abstoßen, dann klingt sie wie ein vollmundiger Wein schmeckt: Rund und schmeichelnd. Womit wir wieder bei der Kunst des Registrierens und das "Verstehen der Orgel" wären.

Viele Grüße

Andreas


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29.05.2023 22:50 (zuletzt bearbeitet: 29.05.2023 22:50)
#30 RE: RE:Für Fachleute in Mixturen
Br

Ich finde, dass es bei Registrieren nicht "die Kunst" oder ein "Muss" gibt. Es geht letztlich darum, den Klang zu gestalten, den man erreichen will. Je nach dem gespielten Stück kann das auch von der landläufigen Kunst und vom "das macht man eben so" abweichen. Es geht auch beim Registrieren nicht nur um laut und leise, wie man von manchen den Eindruck bekommen kann. So habe ich mir z.B. schon anhören müssen, dass es keinen Sinn macht, zu einem Prinzipal noch einen Gedackt oder Flöten hinzuzuziehen, weil es davon nicht lauter wird. Aber manchmal will man nicht lauter, sondern breiter. An anderer Stelle will man genau die kreischende Mixtur, weil es in den Klang passt, den man hervorrufen will.

Auch gibt es kein Gesetz, dass man so registrieren muss, wie der Komponist es (wahrscheinlich oder eventuell) gewollt hätte. Man interpretiert die Musik so, wie man es nun einmal tut. Und wenn einem Händel oder Bach (französisch-) romantisch registriert gefällt, dann kann auch das gut klingen.


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