RE: Kircheninstallation einer Gloria Kapella 235

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21.03.2017 10:08 (zuletzt bearbeitet: 24.03.2020 08:44)
#1 RE: Kircheninstallation einer Gloria Kapella 235
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Moderator

Eine Gemeinde in der fränkischen Heimat meiner Gemahlin wird für ihre Kirche eine Gloria Kapella 235 mit einer externen 4.1-Abstrahlung beschaffen.
Ich hatte die Finger und die Ohren etwas im Spiel und habe daher die Klanggebung an den in der Orgellandschaft sehr präsenten Instrumenten der Dynastien Seuffert und Köhler ausgerichtet - singende Prinzipale, farbige Flöten, leuchtende Mixturen, im Hw natürlich mit Terz. Es wird also eine süddeutsche Orgel.

Pedal:

Groß-Untersatz 32'
Principalbass 16'
Subbass 16'
Violonbass 16
Oktavbass 8'
Violoncell 8'
Choralbaß 4'
Hintersatz IV 2 2/3'
Posaunenbass 16'
Trompetenbass 8'


I. Hauptwerk:

Bourdon 16'
Principal 8'
Rohrflaut 8'
Viol di Gamb 8'
Piffaro 8' (Prinzipalschwebung)
Octave 4'
Spitzflaut 4'
Quint 2 2/3'
Octave 2'
Cornett V 8'
Mixtur V 2' (terzhaltig)
Trompete 8'


II. Oberwerk:

Prästant 8'
Bourdon 8'
Quintatön 8'
Salicional 8'
Principal 4'
Flauto dulcis 4' (bei Seuffert eine weiche, leicht streichende Flöte, klanglich in Richtung Gemshorn)
Nasard 2 2/3'
Flageolett 2'
Terz 1 3/5'
Flauto Piccolo 1'
Mixtur III 1'
Fagott 16'
Schalmey 8' (bei Seuffert ein Mittelding zwischen Trompete und Oboe)

Da die Kapella im Kern eine Physis-Viscount ist, habe ich auch andere Dispositionen ausgearbeitet, die aus der Datenbank (bei entsprechendem Know-How) zu generieren und zu intonieren sind. Die kommen dann auf die weiteren Speicherplätze.

Der Raum (ca. 200 Sitzplätze in zwei Blöcken) ist klassizistisch schlicht in den regionaltypisch barockisierenden Formen mit flacher Decke, das Schiff hat kaum mehr Länge als Breite, ist dabei ungewöhnlich hoch. Ein relativ langer Nachhall (ca. 4 sec.) betont die Frauenstimmlagen und schafft eine sehr gute Orgelhörsamkeit. Mit vier Kanälen plus Sub ist der Raum zur Genüge beschallt - das wurde in einem Gottesdienst erprobt.

Ich hoffe, dass uns da ein Referenzinstrument gelingt. Bis Juni soll die Orgel geliefert werden. Dann gibt's sicher ein paar Klangschnipsel.

LG
Michael


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21.03.2017 12:48
#2 RE: Kircheninstallation einer Gloria Kapella 235
Ma

Cool, die Disposition klingt durchaus lecker, und das in einer guten Akustik ... da würden mich Klangbeispiele durchaus interessieren! Also: Auf gutes Gelingen. [smile]

Was stand denn bisher dort für ein Instrument? Ein "Hobel"? Ist die terzhaltige Mixtur die Physis-Terzmixtur?

Gloria Concerto 350 Trend

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21.03.2017 13:23 (zuletzt bearbeitet: 24.03.2020 08:45)
#3 RE: Kircheninstallation einer Gloria Kapella 235
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Moderator

Zitat von Martin78

Cool, die Disposition klingt durchaus lecker, und das in einer guten Akustik ... da würden mich Klangbeispiele durchaus interessieren! Also: Auf gutes Gelingen.

Was stand denn bisher dort für ein Instrument? Ein "Hobel"? Ist die terzhaltige Mixtur die Physis-Terzmixtur?



Zumindest dient sie als Grundlage. Mal sehen, wie wir sie "pimpen", bis sie nach Seuffert klingt. Die Vorgängerin war eine analoge aus dem Hause Ahlborn mit Hosenbeinbeschallung, bei welchselbiger der Titulaire den großen LS bereits mal ausgetauscht hatte - da hatte es den Membranengummi nach x Jahren zerbröselt.

Die Disposition ist im Kern ein "später" Seuffert, also 2. Hälfte des 18. Jh., als sich im süddeutschen Orgelbau das "Echoprinzip" stärker gegenüber dem Werkprinzip durchsetzte. Nahezu jede Stimme des Hw hat im Ow ihre Echoform. 2' und 1' sind in letzterem deshalb als enge Offenflöten mit perlendem Ton gedacht.
Die Orgeln der Seufferts hatten saftige Bässe. Der Choralbaß ist natürlich ein Anachronismus. Aber ein labialer 2' oder lingualer 4' wären ein weitaus stärkerer Stilbruch gewesen. Hätte das Pedal kleiner ausfallen müssen, hätte ich eine Quinte 5 1/3' besetzt. Aber die 16'-Lage bietet genug Differenzierung und brummt ganz nett. Der Raum ist ein "Bassfresser", wie viele relativ kleine Kirchen in dieser Gegend. Daher bot es sich an, einen runden 32' zu disponieren, als hölzerner Offenbass gedacht, der bei Seuffert ebenfalls unüblich ist. Köhler hat ihn m.W. in seinen größeren Dreimanualigen gelegentlich gebaut.
Wir hatten beim Probespiel auch mal ein Contrafagott 32' im Einsatz - das knarzte dann aber doch zu sehr. Auffällig ist die starke Profilierung der 4'-Lage durch die Raumakustik. Das ändert sich auch nicht, wenn 50 Leute gut verteilt in den Bänken sitzen. Das haben wir beim Gottesdienst bemerkt.

Ich denke, wenn wir fertig sind, gibt es eine Klangdokumentation. Die Orgel wird bestimmt ein Unikat.

An weiteren Dispositionen wäre eine nach Andreas Silbermann denkbar - eine Elsässerin also. Und eine süddeutsche Romantikerin der Jahrhundertwende nach Steinmeyer, der damals im evangelischen Franken der Platzhirsch war.

LG
Michael


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21.03.2017 17:35
#4 RE: Kircheninstallation einer Gloria Kapella 235
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Administrator

Hallo Michael,

da ich deine Art zu dispo- und intonieren sehr schätze, frage ich mal sehr frech, ob du die Intonationsdaten wenigstens in textlicher Form zur Hand hättest. Würde den Klang zu gerne an meiner Concerto ausprobieren.

LG
Klaus


Ich verkaufe meine Orgel, eine Gloria Concerto 234 Trend DLX. Bei Interesse bitte PN oder Mail.

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21.03.2017 18:14
#5 RE: Kircheninstallation einer Gloria Kapella 235
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Moderator

Uuuups, Du meinst, welche Ausgangsregister ich verwende und was ich dran drehe?
Das richtet sich danach, was im Raum aus der installierten Orgel kommt, wenn die Abstrahlung installiert ist. Am grünen Tisch lässt sich das nicht festlegen - jede Prognose wäre Kaffeesatzdeuterei. Das muss ich dann dokumentieren. Ich nehme mal an, das Rezept lässt sich nur dann mit Aussicht auf Erfolg nachkochen, wenn man dieselben Grundzutaten (Hall, Frequenzverhalten des Raumes) verwendet und entsprechend würzt ... [grin]
Einiges werde ich einfach probieren müssen, bis es passt. Das wird sicher spannend, vor allem bei der Steinmeyerin, da die Referenzinstrumente, die ich im Ohr habe, alle in sehr trockenen Räumen stehen. Bei der Elsässerin steht wohl die alte Dame in Marmoutier Modell, die habe ich schon mit sechzehn auf Tonkonserve gezogen - mit einer (gebraucht beim Rundfunk gekauften) Revox-Tonbandmaschine (für die ich mit meinem Cousin einen abenteuerlichen Trafo gebastelt hatte, da damals die Netzsspannung dort noch 110 Volt betrug ...)

Ich bin selber sehr gespannt und habe schon mal eine Urlaubswoche eingeplant - zufällig die, in der mein Schwiegervater Wiegenfest feiert ... Prost:
Ich hoffe ja, bis dahin ist es angerichtet ...

LG
Michael


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21.03.2017 18:17
#6 RE: Kircheninstallation einer Gloria Kapella 235
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Administrator

Diese Dinge sind mir bewusst; die Auswahl der Grundregister wäre mindestens interessant. Intonatorische Ausgefallenheiten dennoch ebenfalls - das Zurechtrücken von Lautstärken etc. traue ich mir an meiner Wohnzimmerorgel in Eigenregie zu.


Ich verkaufe meine Orgel, eine Gloria Concerto 234 Trend DLX. Bei Interesse bitte PN oder Mail.

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21.03.2017 18:38
#7 RE: Kircheninstallation einer Gloria Kapella 235
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Moderator

Ich werd's der Nachwelt überliefern.

Hier sind übrigens die anderen dispositionellen Optionen, die mir durch's Hirn geistern:

Französisch-romantische Disposition nach Cavaillé-Coll:

Pedal:
Contre-Violon 32’
Montre 16’
Soubasse 16’
Violon 16’
Flute 8’ (weiter Prinzipal)
Violon 8’
Octave 4’
Bombarde 16’
Trompette 8’
Clairon 4’

Grand Orgue:
Montre 16’ (weicher Prinzipal)
Montre 8’
Flute harm. 8’
Bourdon 8’
Viole de Gambe 8’
Prestant 4’
Flute ouverte 4’
Quinte 2 2/3’
Doublette 2’
Fourniture V 2’
Trompette 8’
Voix humaine 8’

Récit:
Bourdon doux 16’
Diapason 8’
Bourdon 8’
Salicional 8’
Voix céleste 8’
Prestant doux 4’ (singender italienisch-Prinzipal)
Quinte 2 2/3’
Octavin 2’
Tierce 1 3/5’
Carillon III 2’
Basson 16’
Trompette harm. 8’
Hautbois 8’

Französisch-barocke Disposition nach Andreas Silbermann:

Pedal:
Bourdon 32’
Montre 16’
Soubasse 16’
Octavebasse 8’
Bourdon 8’
Oktave 4’
Fourniture IV 2 2/4’
Bombarde 16’
Trompette 8’
Clairon 4’

Grand Orgue:
Bourdon 16’
Montre 8’
Bourdon 8’
Prestant 4’
Flute à cheminée 4’
Quinte 2 2/3’
Doublette 2’
Cornet V 8’
Fourniture IV 1 1/3’
Cymbale III 2/3’
Trompette 8’
Clairon 4’

Positif:
Bourdon 8’
Salicional 8’
Prestant 4’
Flute 4’
Nasard 2 2/3’
Flute 2’
Tierce 1 3/5’
Larigot 1 1/3’
Octavin 1’
Fourniture III 1’
Basson 16’
Trompette 8’
Cromorne 8’


SüDdeutsch-romantische Disposition nach Steinmeyer:

Pedal:
Contraviolon 32’
Principalbass 16’
Subbass 16’
Violonbass 16’
Principalbass 8’
Gedacktbass 8’
Violoncell 8’
Octavbass 4’
Posaunenbass 16’
Trompete 8’

Hauptwerk:
Bourdon 16’
Principal 8’
Gedackt 8’
Tibia 8’ (ergiebige Querflöte)
Salicional 8’
Octave 4’
Gemshorn 4’
Octave 2’
Rauschpfeife II 2 2/3’
Mixtur IV 2’
Fagott 16’
Trompete 8’

Schwellwerk:
Lieblich Gedackt 16’
Holzprinzipal 8’
Zartgedackt 8’
Aeoline 8’
Vox Coelestis 8’
Prinzipal 4’
Querflöte 4’
Viola 4’
Quinte 2 2/3’
Salicett 2’
Gemsterz 1 3/5’
Harmonia aetheria IV 2’
Oboe 8’

Denkbar wäre auch eine schöne "Universalklaisine" aus den späten 30ern - Hans Klais' orgelbewegte, aber dennoch substantielle Allzweckwaffen, die er ab den 30ern bis in die frühen 60er baute. Klais hatte nach dem Bau der Würzburger Domorgel von 1937 (im Krieg zerstört) und der (überlebenden) gewaltigen Münsterschwarzacherin etliche Folgeaufträge in der Region, die erhalten sind. Und in den 80ern und 90ern hat sein Sohn außer der neuen Domorgel (in den späten 60ern) ein paar stattliche Dreimanualige in der Gegend gebaut (z.B. Bergrheinfeld, Münnerstadt, Hammelburg, Bad Neustadt). Insofern scheint mir so was überlegenswert - und der Speicherplatz gibt es ja her.

Mal sehen, was es wird. Ich schreibe ja sehr bewußt "nach" und nicht "von". Denn es wird sich auf jeden Fall um kreative Annäherungsversuche an die jeweils benannten Stile und Instrumententypen handeln, nicht um den Versuch der "perfekten" Imitation.

LG
Michael


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16.06.2017 22:37
#8 RE: Kircheninstallation einer Gloria Kapella 235
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Zitat von Wichernkantor

Zumindest dient sie als Grundlage. Mal sehen, wie wir sie "pimpen", bis sie nach Seuffert klingt. Die Vorgängerin war eine analoge aus dem Hause Ahlborn mit Hosenbeinbeschallung, bei welchselbiger der Titulaire den großen LS bereits mal ausgetauscht hatte - da hatte es den Membranengummi nach x Jahren zerbröselt.


Es hat begonnen...

Der Titulaire schaut und hört dem großen Maestro derzeit beim Intonieren zu und verneigt sich vor dessen Expertise. Es ist ein musikalisches Erlebnis und Hörgenuss, der Orgel "beim Laufenlernen" zuzuhören!!!!!

Dafuer:

LG Roland


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17.06.2017 19:31
#9 RE: Kircheninstallation einer Gloria Kapella 235
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Moderator

Es ist vollbracht - ob's auch prachtvoll ist, möge das geneigte Publikum entscheiden. Jedenfalls spricht die junge Dame jetzt genau wie meine Gemahlin: fränggisch - mit rrrrrollendem "r" und weichen Verschlusslauten. [grin]
Die Abstrahlung ist ideal platziert, die bislang so beliebten Plätze unter der Empore haben jeden Schlafsaalcharakter verloren. Das bläst's jetzt ganz nett. Und am differenziertesten klingt sie in den vorderen Bankreihen. Und das ist ABSICHT. Das Wachbataillon hinter den hinteren Säulen muss sich andere Schlafplätze suchen ...

Drei Tage hat's gedauert, bis zumindest ich mit dem Ergebnis zufrieden war.
Was dabei herausgekommen ist, erzählt der Titulaire vielleicht selber. Schließlich muss er damit leben - zumindest bis ich wieder mal drei Tage Zeit habe, ihm für den Speicherplatz "User 2" eine schöne Vorkriegs-Steinmeyerin aus "Middlfranggn" zu basteln.

LG
Michael


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17.06.2017 23:25
#10 RE: Kircheninstallation einer Gloria Kapella 235
cl

Hallo Michael,
dann warst Du aber flott. Herzlichen Glückwunsch.
lbG clm

Liebe Grüße vom Clemens

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18.06.2017 07:48
#11 RE: Kircheninstallation einer Gloria Kapella 235
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Moderator

Na, ich erzähl' Dir ja nix Neues mit der These, dass eine DO eigentlich nie "fertig" ist. Aus der Erfahrung heraus ergeben sich immer Anpassungswünsche an die "Alltagstauglichkeit". Das ist dann Phase 2 des Projektes.
Jetzt wird erst mal im Feldversuch ausprobiert, wie sich der Dornheimer Gemeindegesang mit der neuen Orgel domestizeren lässt.

LG
Michael


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18.06.2017 13:29
#12 RE: Kircheninstallation einer Gloria Kapella 235
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So, der Titulaire ist bis heute nur einmal vom Bock abgestiegen, um nämlich sein Feldbett zu holen... [grin]

Es war für mich die letzten drei Tage ein Erlebnis, mitzuerleben, wie man so ein Baby nach der Geburt entwickeln kann, bis es eine erwachsene Dame wird. Es stimmt, sie spricht mittlerweile nahezu „agzendfrreies frrrrrängisch“.
Alle Achtung!!!

Mein herzliches Dankeschön gilt Michael!!! Das Ergebnis ist phänomenal!!! Prost:
Er hat sich sehr, sehr viel Arbeit gemacht… wie fein er an den Prinzipalen herumgefeilt hat, bis sie gesungen haben, oder an den Flöten, bis sie farbig genug waren und nicht zu vergessen bis die Mixturen richtig geleuchtet haben! Auch an den Zungen hat er lange gefeilt und gehämmert... Selbst nachts hat er bis zur völligen Erschöpfung die Aufnahmen seiner Tagesarbeit analysiert, um am nächsten Morgen nochmal mit der ganz feinen Feile und seinem feinsten Polliertüchlein sich an den Pfeifen ran zu machen. Aber hierzu kann der Meister selbst fachlich am besten was erklären.

Heute früh wurde die Dame mit der neuen Intonation zum ersten mal im Feldversuch erprobt und ich muß sagen, gegen die 17 Gottedienstbesucher hat sie es mit Bravour bestanden!! Und jeder der den hießigen „Gesang“ schonmal live erlebt hat, weiß, welche Energie das erfordert!

Mich fasziniert, welche unterschiedlichen Klangvariationen sich nun realisieren lassen. Selbst zarteste Register entfalten Klänge, die vormals noch nie zu hören gewesen sind. Mir imponiert auch die Kombination div. Register, die ein dreimanualiges Orgelspiel erlauben, ohne nur einmal umzuregistrieren. Das Mixturenplenum mit der Posaune 16‘ im Pedal entfaltet eine Urgewalt, die die Leute in tiefste Ehrfurcht versetzt, ohne sie zu erdrücken. Einfach Klasse!!! Oder die Trompete 8‘ im HW, Wahnsinn!!

Ich hoffe, Michaels Pferde haben den Heimritt mit den reichhaltigen frängischen Blumensträußen gut überstanden?!? [grin]

Soweit zu meinen ersten Eindrücken, ich steige wieder auf den Bock zurück…. und wünsche schonmal sicherheitshalber vorab frohe Weihnachten und einen guten Rutsch ins neue Jahr!! [grin] D

LG
Roland


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18.06.2017 19:19
#13 RE: Kircheninstallation einer Gloria Kapella 235
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Moderator

Jo, wir kamen sogar staufrei durch den Spessart - dass ich das noch erleben durfte!
Die zahlreichen fränkischen Blumensträuße schafften es unverdorben in mein Gewächshaus und ich konnte es mir nicht verkneifen, gestern Abend und heute Mittag an einigen ausgiebiger zu schnuppern. Riecht einfach gut! Dafuer:
Ich wage zu befürchten, dass zum Tier, das wir gleich auf den Rost werfen werden, erneut ein Blumenstrauß im Glas gereicht wird. Die vinologische Artenvielfalt in meinem Biotop hat quantivativ und qualitativ deutlich zugelegt.

Heftiges an die Gärtner!


Ja, was hab' ich gemacht an der Orgel?
Wenn Ihr jetzt erwartet, dass ich alle Registernamen, die ich auf die Wippen gelegt habe, aufliste und dazu sämtliche Parameter herunterbete, muss ich euch enttäuschen.

Namen sind Schall und Rauch und wer klingt, hat recht.
Das Rezept ist nicht nachzukochen, es sei denn, jemand klont die Dornheimer Kirche. Für diesen Raum und keinen anderen ist die Intonation gemacht. Ziel war es, wie angekündigt, eine Orgel zu stricken, deren barocker Klang in die Region passt, in der im 17./18. Jh. die Werkstätten Seuffert, Will und Köhler über mehrere Generationen ein eigenes Klangidiom ausgebildet haben. Diesen Stil habe ich zu treffen versucht.
Bei der Auswahl der Basisregister hat keines der Standardbelegung überlebt - bis auf das Kleingedackt 4'. Insider wissen, warum ... [grin]
In der 8'-Lage tragende, in den höreren Lagen singende Prinzipale, deren Plenumklang von "hornichten" Quinten kompakt aufgefüllt und von färbenden Mixturen gekrönt wird. Im Hw habe ich eine klassische 4fache Mixtur mit Quint-Quart-Repetition genommen, sie im Charakter etwas fülliger gemacht und den Diskant so weit zurückgenommen, dass sie gerade noch über der Oktave 2' steht. Das Oberwerk hat die Zimbel bekommen, die mit 1 3/5', 1 1/3' und 1' beginnt und relativ bald den 3 1/5 einführt, der das kleine Plenum "gläsern" einfärbt.
Der Raum betont den Diskant, so etwa ab der 4'-Lage, alles darüber musste oben weit zurückgenommen werden, damit es singend bleibt. Paradebeispiel dafür: die Terz 1 3/5' im Ow. Ich habe eine recht obertönige genommen, weil ich mit der Quinte einen leicht prinzipaligen Sesquialter bauen wollte. Zudem sollte die Terz ebenfalls den glasharten Klang bekommen, wie ihn Silbermann in seinen Registriertabellen für ein "Stahlspiel" forderte. Unbehandelt ging die Terz im Diskant ab wie Schmidts Katze, brüllte alles nieder, bis ich sie um 8 db zurückgenommen habe. Jetzt klärt sie im Bassbereich, entfaltet ihre volle Farbe in der Melodielage und hält sich ab c2 vornehm zurück. Über der 2'-Flöte glltzert sie ganz leicht und unaufdringlich.

Aus einer Querflöte 4' habe ich im Hw Seufferts "Flauto dulcis" gestrickt, eine tragfähige konische Flöte mit einem Anflug von Gemshorn-Strich. Sie steht samtig füllend und singend über der Rohrflöte und ist gleichzeitig die diskrete Oktavstimme zum gleichfalls im Hw disponierten Gemshorn 8'. Die Barockmeister der Region nannten dieses Register "Violdigamb". Im Prinzip war es eine ergiebige Flöte mit deutlichem Strich, weit entfernt von der "sägenden" Gambe, die Steinmeyer rund 100 Jahre später in der Region gebaut hat.
Erste Amtshandlung war natürlich, im Pedal den langweiligen Allerwelts-Gedecktbass 8' durch eine konturierte, plastisch zeichnende und präzise ansprechende Flöte für's artikulierte Triospiel zu ersetzen.

Ups, die Jungs aus meiner Gang rücken an zum Extremsport: "Open Air Grilling" Prost:

Also, denmächst mehr, falls es interessiert.

LG
Michael


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19.06.2017 11:05 (zuletzt bearbeitet: 24.03.2020 08:43)
#14 RE: Kircheninstallation einer Gloria Kapella 235
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Moderator

Ich habe übrigens ausschließlich mit den "Bordmitteln" gearbeitet. D.h. ich konnte nur die Austauschstimmen nutzen, die hinter jeder Wippe hinterlegt sind. Das sind z.T. erklecklich und erfreulich viele, bisweilen auch aus anderen Registerfamilien. Eine differenzierte Individualisierung der Orgel aus diesem Fundus scheint mir jedenfalls in alle Stilrichtungen möglich. Ich habe nach meinen Vorerfahrungen mit den Concertos nichts anderes erwartet ...
Der Autausch von Fußlagen ist allerdings nur mit dem Editor möglich. Und K. gibt den nicht mehr heraus seit sich - ich zitiere - "einige Leute damit ihre Orgel komplett zerschossen haben".
Zum Glück hatte der Raum keine Tücken wie stehende Wellen oder Flatterechos. Da wäre es sicher nicht ohne die ebenfalls dem Editor vorbehaltene Einzelton-Bearbeitung gegangen.
Der Verzicht auf Fußlagentausch hatte zur Folge, dass ich meine ursprüngliche Gestaltungsidee einer Seuffert mit den typischen fünf 8'ern im Hw - Prinzipal, Gedackt, Quintade, Flöte, Streicher - nicht umsetzen konnte.
Mit einer Ausnahme fand ich zum Glück überall Stimmen, die das Entwicklungspotential zum intendierten Klangbild hatten.
Würde die Gemeinde einen Satz neuer Registerschilder bestellen, stünde für diesen Style in etwa folgendes darauf:

Pedal:
Groß-Bordun 32'
Groß-Prästant 16'
Subbass 16'
Octavenbass 8'
Groß-Flaut 8' (leicht streichend)
Choralbass 4'
Mixtura 4f
Bombardbass 16'
Trompet-Bass 8'
Clarin-Bass 4'

Hauptwerk:
Quinta Thöne 16'
Groß Prinzipal 8'
Rohrflaut 8'
Violdigamb 8' (streichende Flöte, fast Gemshorn)
Octav 4'
Flauto dulcis 4'
Quint 2 2/3'
Super-Octav 2'
Corneth V
Mixtura 4f
Trompet 8'
Vox humana 8'

Oberwerk:
Groß-Gedacktflöt 8'
Salicional 8'
Flaut lament 8' (Schwebung zum Salicional)
Prästant 4'
Klein-Gedacktflöt 4'
Nassard 2 2/3'
Flaut 2'
Terzflaut 1 3/5'
Mixtura 3f
Fagott 16'
Echo-Trompet 8'
Fagott-Oboe 8'
Clarino 4'

Viel Arbeit machte die Oboe. Von den angebotenen Alternativstimmen überzeugte mich keine einzige. Ich war schon ziemlich am Ende meines Lateins, als mir die Idee kam, mich mal unter den auf derselben Wippe hinterlegten Trompeten umzuhören. Und da fand sich tatsächlich eine "gedeckte" Trompete, die sich - stark zurückgenommen und im Charakter etwas "lieblicher" gemacht - im Diskant zum singenden Hautbois, im Bass zum klar zeichnenden Basson/Cromorne umstricken ließ. Das Register ist jetzt ein besonderer Clou dieser Orgel, spiegelt es doch die Praxis der altfranzösischen und süddeutschen Schule wider, den Klaviaturhälften unterschiedliche Charaktere zu geben.
Außerdem habe ich darauf geachtet, dass im Hw die beiden oberen Oktaven der Labialstimmen generell etwas dunkler eingefärbt sind und etwas leiser werden. Wie bereits erwähnt, betont der Raum Diskantlagen und helle Klänge werden im oberen Klaviaturbereich schnell grell und scharf. Das meint Roland, wenn er von der "gefühlten Dreimanualigkeit" spricht. Spielt man im Hw mit 16' und oktaviert die r.H., klingt es so wie ein vom Pedal begleitetes Ober-/Hinterwerk mit "ruhigeren" Stimmen. Die selben Register in der Normallage haben dann die Kraft typischer Hw-Stimmen und werden als solche wahrgenommen.

Nach Durchhören der Klänge (ich habe beim Intonieren einfach ein Aufnahmgerät mitlaufen lassen) bin ich mit dem Ergebnis weiter zufrieden. Oder wie man in Franken sagt: "Passt scho!"

LG
Michael


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19.06.2017 11:35
#15 RE: Kircheninstallation einer Gloria Kapella 235
Ma

Zitat von Wichernkantor

Ich habe übrigens ausschließlich mit den "Bordmitteln" gearbeitet. D.h. ich konnte nur die Austauschstimmen nutzen, die hinter jeder Wippe hinterlegt sind. Der Autausch von Fußlagen ist nur mit dem Editor möglich. Und K. gibt den nicht mehr heraus seit sich - ich zitiere - "einige Leute damit ihre Orgel komplett zerschossen haben".
(...)
Viel Arbeit machte die Oboe. Von den angebotenen Alternativstimmen überzeugte mich keine einzige. Ich war schon ziemlich am Ende meines Lateins, als mir die Idee kam, mich mal unter den auf derselben Wippe hinterlegten Trompeten umzuhören. Und da fand sich tatsächlich eine "gedeckte" Trompete, die sich - stark zurückgenommen und im Charakter etwas "lieblicher" gemacht - im Diskant zum singenden Hautbois, im Bass zum klar zeichnenden Basson/Cromorne umstricken ließ. Das Register ist jetzt ein besonderer Clou dieser Orgel, spiegelt es doch die Praxis der altfranzösischen und süDdeutschen Schule wider, den Klaviaturhälften unterschiedliche Charaktere zu geben.


Hallo Michael,

ein interessanter Bericht aus der Praxis.

Eine kleine Verständnisfrage: Wie habt ihr bei einer Physis-Orgel ohne den Physis-Editor einem Register unterschiedliche Charaktere in Bass- und Diskantlage gegeben? Mit den Möglichkeiten des Orgel-Menüs kann man doch nur die Lautstärkenverläufe Richtung Bass und Diskant anpassen.

Oder stehe ich hier komplett auf dem Schlauch?

LG
Martin

Gloria Concerto 350 Trend

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