GL 531

04.06.2025 18:09 (zuletzt bearbeitet: 04.06.2025 22:43)
#1 GL 531
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Ein katholisches Lied und Thema:

GL 531 "Sagt an, wer ist doch diese" - ein altbekanntes und immer noch gerne gesungenes Marienlied. Nachdem mit Erscheinen des GL1975 eine bearbeitete Textfassung (ja, auch sie war nicht ohne Schwächen) in den Gemeinden etabliert wurde, wechselte man mit dem GL2013 wieder zur alten Fassung. [Das war bei der Erstellung des neuen Gotteslobs eine der leitenden Maximen: Zurück zum mutmaßlichen Original, egal wie gut eingesungen die Liedfassungen von 1975 waren.]

So haben die Gemeinden seit 2013 die besondere Freude, grammatikalischen Schwachsinn singen zu dürfen:

"es schmückt sie Mond und Sterne, / die Braut von Nazaret."

Im Internet kursiert an mehreren Fundorten die grammatikalisch korrekte Variante:

"es schmücken Mond und Sterne / die Braut von Nazaret."

Meine Anfrage bei der Österr. Kirchenmusikkommission erbrachte sinngemäß folgende Antwort:
Man habe alles richtig gemacht, dies sei eben die Fassung von Guido Dreves aus dem Jahr 1885.
Original wichtiger als korrektes Deutsch.
Danke - für nichts.


Johannus Opus 260


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04.06.2025 22:49
avatar  SJL
#2 RE: GL 531
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SJL

Wenn es immer nur nach der sprachlichen Korrektheit ginge, läge eine nicht unwesentliche Menge an Lyrik bzw. Liedern im Papierkorb...


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05.06.2025 02:50
#3 RE: GL 531
Ho

Oh, Liebes Gemshorn, aber bei Dreves originaler Fassung handelt es sich durchaus nicht um grammatikalischen Unsinn, vielmehr um (dichterische) Usancen der Zeit: Konsultiert man damalige, zeitgenössische Grammatiken (Heyse, Becker, Blatz, Kehrein etc.), selbst noch die Auflagen des Heyseʼschen Werkes bis ins 20. Jh. hinein, findet sich die von ihm gedichtete Variante eines singularischen Prädikats bei singularischem + pluralischem Subjekt (neben gängigen Verbindungen, in denen die durch ‚und‘ zusammengesetzten Subjekte einen Gesamtbegriff bilden) noch lehrbuchmäßig möglich, zumal bei Voranstellung des Prädikats, weshalb wohl an Klassikern geschulte Ohren des 19. Jh. keinen Anstoß an dergleichen Versen nahmen:

Denn damit sind (waren) nicht nur Varianten legitim wie:

„Noch leuchtet Sonne, Mond und Stern“ (Uhland)
„Erschlagen ist der Hirte und die Herde“
oder unser „denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit…“

sondern ebenso Verbindungen singularischer und pluralischer Subjekte – selbstredend nur dann, wenn das Prädikat beim singularischen Subjekt steht:

Für deine Gegner streitet mein Gebet/ Und dann der Kinder Eduards kleine Seelen
(Shakespeare)
Sei froher Mut mit euch und heitre Stunden (Shakespeare)
Es leuchtet der Mond und die Sterne
Ihm gehorcht das Meer und die Länder

Dies nur als kleiner Beitrag zu Dreves Ehrenrettung 😊

Herzliche Grüße
Benjamin


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05.06.2025 06:18
#4 RE: GL 531
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Administrator

Ab jetzt ist die Drevesfassung meine Lieblingsvariante!


Johannus Opus 260


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05.06.2025 08:36
#5 RE: GL 531
Ho


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06.06.2025 12:39
avatar  Mixtura
#6 RE: GL 531
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Ich wüsste ja zu gerne wie man in 100 Jahren über die heutige Grammatik urteilen wird.
Auch heute schon falsch aber gern genutzt
„Marmor Stein und Eisen bricht, aber unsere Liebe nicht“
„Da werden Sie geholfen“
… fragen Sie Ihren Arzt, ihre Ärztin oder in ihrer Apotheke“
Oder das politisch korrekte „Liebe Orgelspielende“ was ich immer als ein wenig abwertend empfinde. Außerdem spiele ich nicht 24/7 Orgel, was durch die Verwendung des Partizips indiziert wäre.

Zugegeben keine Werke aus dem Gotteslob aber … na ja…


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06.06.2025 13:26 (zuletzt bearbeitet: 07.06.2025 22:30)
#7 RE: GL 531
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Administrator

Im Gotteslob (alt wie neu) gibt es meiner Beobachtung nach kein einheitliches System, was den Umgang mit antiquierten Texten betrifft:

Heftig bearbeitet wurden z.B. bei 331 "Ist das der Leib, Herr Jesu Christ" und bei 357 "Wie schön leuchtet der Morgenstern". Die Originalfassung kennend, bin ich für beide Bearbeitungen sehr dankbar.
Rückführungen wie bei dem hier verhandelten 531 oder bei 542 "Ihr Freunde Gottes allzugleich" finde ich hingegen unter mancherlei Aspekten einen Rückschritt - nicht nur zeitlich.

Die Generation, die 521 "Maria, dich lieben ist allzeit mein Sinn" noch unter dem Urtext kannte, stirbt gerade aus. Dieser Tage erst las ich einen Artikel auf katholisch.de, wo von altertümlichen, quasi aus der Zeit gefallenen Marienliedern die Rede war - und da wurde erstaunlicherweise auch GL 521 (Text: Friedrich Dörr 1975!) genannt.


Johannus Opus 260


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