13 Jahre alt...

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09.12.2021 07:45
#16 RE: 13 Jahre alt...
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Moderator

Genau das ist für mich mit dem Begriff "Wunderkind" verknüpft: Über-ehrgeizige Eltern im Hintergrund. Entscheidendes Kriterium bleibt die Option, sich trotz Helikopter-Eltern, die sich im Glanze des "Wunderkindes" sonnen, gegen den Musikerberuf zu entscheiden.
Vor einigen Jahren habe ich hier so einen Fall ziemlich hautnah mitbekommen. Ein Zehnjähriger, der auch über die hiesige Lokalpresse als "Wunderkind" "promoted" wurde. Er hatte sich eine stupende Fingerfertigkeit angeeignet und einfach unglaublich viele Griffe auswendig gelernt, die er dann zu eigenen "Kompositionen" zusammensetzte. Ein Pfarrer bat mich, mal meine Ohren hinzuhalten und dem Erziehungsberechtigten eine Empfehlung zu geben. Ich stellte fest, dass er keine Noten lesen kann und riet, ihn zu einem guten Lehrer zu schicken. Denn das Beherrschen der Notenschrift ist nun mal die Eintrittskarte in die professionelle Musikkultur.
Der Lehrer scheiterte. Der junge Mann ist heute Mitte 20, spielt leidlich Orgel "auf Gehör" hier in einem Nachbardorf. Er hat - zum Glück - einen Brotberuf erlernt, der ihm Spaß macht. Und der Erziehungsberechtigte war so klug, ihn letztendlich gewähren zu lassen.

In meinen Jungkantorsjahren hatte ich drei Orgelschüler, die sehr begabt waren und von den jewewiligen Elternhäusern entsprechend gefördert wurden. Einer von ihnen ist Kirchenmusiker mit Leib und Seele geworden. Er fand auf Anhieb eine Stelle, auf der er kürzlich sein 25jähriges Dienstjubiläum gefeiert hat. Die beiden anderen haben aus der Musik ein lebenslanges und beglückendes Hobby gemacht. Beide studierten erfolgreich Medizin, machten ihre Karrieren als Ärzte und treten auf Kongressen ihrer Zunft "just vor fun" als Duo Klavier/Fagott auf. Da waren beide Elternpaare - wiewohl immer beträchtlich stolz auf die musikalischen Hochbegabungen ihrer Sprößlinge - souverän genug, den Jungs ihre Entscheidungsfreiheit zu lassen.

Meine Erkenntnisse: Frau Musica beruft ihre Jünger. Jeder Fall ist ein Einzelfall, Pauschalisierungen sind unangebracht.

LG
Michael


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