Von der (Un-)sinnigkeit der Liedpläne (haupts. kath.)

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20.06.2011 23:51
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#16 RE: Von der (Un-)sinnigkeit der Liedpläne (haupts. kath.)
pv
pvh

Hallo,

mit der Emotion ist das so eine Sache: Die Musiktheorie war ja über Jahrhunderte der Auffassung, dass bestimmte Melodien/Musik bestimmte Emotionen erzeugen. Besonders hoch wurde das ja im Barock gehandelt. Die moderne Musikpsychologie hat aber gezeigt, dass das nicht so ist. Bestimmte Liedmelodien haben also erst mal keinen bestimmten emotionalen Gehalt.

Wenn Leute mit Liedern Emotionen verbinden, dann weil sie bestimmte Lernerfahrungen gemacht haben. Da diese Erfahrungen höchst unterschiedlich sein können, kann man diese nicht für eine ganze Gemeinde als gleich voraussetzen. Was der eine als triumphal erhebend empfindet, kommt dem anderen vielleicht albern und kitschig vor. Mich erinnert beispielsweise "Stille Nacht", tut mir leid, wenn ich das gerade vor österreichischem Publikum mal so sagen muss, an weinseeligen Gesang beim Heurigen zur vorgerückter Stunde, mit kommt da immer der schwer angedulete Hans Moser mit Kumpel in den Sinn.

Oder ein anderes Beispiel: Für den einen ist "Wildgänse rauschen" ein romantisches Wanderlied, für den zweiten verbreitet es als Antikriegslied eine melancholische, depressive Krieg- und Frontstimmung für den dritten ist es eine abstoßende Nazihymne.

Daher steht für mich der Text im Vordergrund bei der Beurteilung, ob ein Lied im Gottesdienst passend ist. Natürlich spielt auch eine Rolle, welche emotionale Bedeutung die Lieder für einen Großteil der Gottesdienstbesucher haben. Da darf man aber nichts verallgemeinern. Die für manche sperrigen Messgesänge ab 425 sind bei uns ganz beliebt, das sieht man auch daran, dass sie für Hochzeiten (inkl. silberne und goldene) und Beerdigungen von den Leuten selbst gewählt werden. Auch 276 wird bei uns gerne gesungen. Mit den Lieder im Anhang, die ich größtenteils nicht kannte, als ich hierher kam, konnte ich anfangs gar nichts anfangen. Für die Gemeinde haben die teilweise tiefgehende Bedeutungen, die mit der Geschichte der Gemeinde in DDR-Zeiten und anderem zusammenhängen, was für Außenstehende wirklich nur schwer nachvollziehbar ist. Da sind lange Gespräche nötig, um diesen Emotionen nachspüren zu können.

Daher pläDiere ich also für den Text als erstes Kriterium. Dass der Text eh nicht wahrgenommen wird, stimmt meiner Erfahrung nach so nicht: Neulich bekam ich Mecker, weil ich, angesteckt vom Schwung eines Liedes, alle 5 Strophen gespielt und nicht nach der 3. aufgehört habe. Strophen 4 und 5 haben textlich schwer missfallen.

Beste Grüße von der Waterkant
Christoph P.


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21.06.2011 12:55
avatar  Triforium ( gelöscht )
#17 RE: Von der (Un-)sinnigkeit der Liedpläne (haupts. kath.)
Tr
Triforium ( gelöscht )

Hallo Gemshorn, hallo chp!
(u. auch alle Anderen)

Mit Euren Postings greift ihr das auf, um was es mir geht.

@Gemshorn

Zitat
"Christ ist erstanden". (an Allerseelen) Warum eigentlich nicht? Freilich: Eine solche Akzentuierung verlangt eine gute Absprache aller liturgischen Agenten. Wenn sich Zelebrant und Organist da nicht einig sind, zerreißt die Stimmigkeit der Feier.



Genau das ist es, was ich meine. Die -dieses Mal weniger von irgendwelchen Statuten, als vielmehr von irgendwelchen Erwartungen- erstellten Regeln, können (vielleicht müssen?) durchbrochen werden. Wie Du richtig bemerkst: Solch ein "Wagnis" kann man aber nur eingehen, wenn alle Agierenden mitziehen. Sicher ist es dann erforderlich, dass der Geistliche in seinen Worten zur Begrüßung gleich sagt, warum man den Akzent so auswählt.

Aber was tut man, wenn der Hr. Kleriker in seiner Stimm-Modulation nicht facettenreich ist? Das meint: An Ostern müssen die Begrüßungsworte anders ausfallen, als an Karfreitag. Auch das Gesicht muss ein Anderes sein. (Mir fällt dazu ein: Kennt ihr den Film "Full Metal jacket", als der Ausbilder seinen Rekruten in maskulin-militärischem Drillton erklärt: "Heute, ist Weihnachten. Gottesdienst um null fünfhundert!" Da musste jeder Kinobesucher grinsen o. sogar lachen, weil man ganz klar spürt: Weihnachten so anzukündigen, dass passt (irgendwie) nicht! Und das meine ich mit dem "Tonfall" der gewählten Choräle. (T'schuldigung, wenn ich das Beispiel schon wieder bringe): "Ein Haus voll Glorie schauet" ist (abgesehen vom Text) "stimmungsmäßig" einfach unpassend zu Karfreitag.

@ chp
"Stille Nacht" u. Hans Moser? Da ist etwas dran! Ich bin zwar bisher noch nicht auf diese Assoziation gekommen, aber jetzt wo Du's schreibst: Es ist nicht von der Hand zu weisen.

Das was Du zur "Musikwahrnehmung" schreibst ist natürlich richtig, nur:
Als Organist (o. jede andere Musiker, der auf irgendwelchen Feiern spielt) muss man "erraten" können, was dem "Publikum" gefällt o. es versteht. Z.B. auf der italienischen Hochzeit vergangenen Samstag hätte ich sicher nicht etwas von Anton Webern o. Schönberg gespielt. Da kann ich mir sicher sein, auch wenn der Text des Stückes "O seliger Tag, an dem wir vermählt" hieße, dass das verfehlt wäre.

Dieses Beispiel soll zeigen: Aufgrund der "moderne Musikpsychologie" kann man nicht alle -wahrscheinlichen!!!- Musikwahrnehmungen ausschließen. Es gibt in jeder Volksgruppe//Landsmannschaft Gesänge o. Melodien die bekanntER, verbreitetER sind. Anhand diese -ÜBLICHERWEISE! für die Region- bekanntEREN Melodien, kann man, davon bin ich überzeugt, schon annährend "erraten", mit welcher Musik ich was beim Gottesdienstvolk auslöse.

Das es immer Einzelne geben wird, die andere Empfindungen haben - klar. Aber wir können als Musiker auf einer Feier, nur für die Mehrheit der Anwesenden u. nicht jeden Einzelnen spielen. Das geht nicht.

Daher pläDiere ich: Ein Stück von Anton Webern, mit passendem Text!, auf einer italienischen Hochzeit ist vollkommen falsch (unabhängig davon, dass der Text natürlich in italienisch wäre).

Gruß

Triforium


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