Liebe Leute,

Klaus hat mich gebeten, den „offiziellen“ Jahresrückblick zu dichten. Hier ist er. Wertet ihn wohlwollend als „Essay“, was ja nichts anderes heißt als „Versuch“.

Ein trauriger Jahresbeginn ...

Das Jahr 2018 war erst wenige Tage alt, als uns Klaus’ Nachricht vom plötzlichen Tod unseres Freundes und Kollegen Dr. Bernd Freistedt erreichte. Als „PeterW“ war er Gründungsmitglied des Forums. Zugleich war er ein wichtiger Initiator und Impulsgeber mancher Diskussion. Vor allem in den Jahren, in denen sich neue Technologien im Digitalorgelsektor verbreiteten, zehrten wir von seinen analytischen Fähigkeiten als Naturwissenschafter. Manches von dem, was inzwischen Standard ist, hat er hier im Forum erstmals postuliert und mit uns diskutiert.
Wenige Stunden vor seinem plötzlichen Tod hatte ich mit ihm noch per Mail und Skype über Vor- und Nachteile diverser digitaler Cembali räsonniert.
Als „Markenkollegen“ (wir hatten beide ja eine Opus 30), als Freunde des verbalen Florettgefechts, als Liebhaber eines guten Tropfens und als Inhaber eines ähnlich synchronisierten schwarzen Humors schätzten wir beide uns in besonderer Weise.
Ich entsinne mich gern der Forumstreffen, auf denen wir beiden Frühaufsteher an der Kaffeetafel (mindestens) ein Dutzend Welträtsel „gelöst“ hatten, während die Truppe noch schlief.

Klaus nahm an Bernds Beisetzung im Burgenland teil und hat seiner Witwe unsere tiefe Anteilnahme übermittelt.

Bernds Orgel hat dann gegen Ende des Jahres eine Verwendung gefunden, die sicher in seinem Sinne ist: Sie steht jetzt in der Hauskapelle eines Seniorenzentrums bei Wien und wird dort kundig gespielt. Mir war es eine besondere Ehre, dieses Instrument an das veränderte akustische Umfeld anzupassen - stets im Bewusstsein, das musikalische Vermächtnis eines geschätzten Freundes weiterzureichen.

Unsere Forumstreffen

Wichtigste „gesellschaftliche Ereignisse“ im Leben des Forums waren die beiden Treffen im Frühjahr und im Herbst.
Anfang Mai waren wir im Berchtesgadener Land unterwegs. Wir durften staunen über eine kleine romantische Maerz-Orgel, die die gewaltige romanische Basilika St. Zeno in Bad Reichenhall kraftvoll und saftig füllt. Wir überzeugten uns von der hohen Kompetenz des Orgelhauses Voitz in Freilassing, besonders in puncto „virtuelle Orgel“ und hörten in der benachbarten kath. Stadtkirche eine imposante Monarke-Installation. Mich haben vor allem die beiden (!) großen Metzler-Orgeln in der Franziskanerkirche zu Salzburg tief beeindruckt – auch und gerade ob der höchst kompetenten Präsentation durch den Hausorganisten.
Und schließlich in der malerischen Ramsau mit ihrem Ansichtskarten-Ambiente die Synthese von Meister Gerhard Schmid aus einer fränkischen Steinmeyerin und seinem unverkennbaren Personalstil voller unorthodoxer Lösungen. Erinnert sei an den gusseisernen Hebel an einer Spieltischwange, der das SW öffnet und schließt.

Zum zweiten Treffen im Herbst hatte das Haus Kisselbach geladen. Und wir nutzten die Gelegenheit, mit der neuen Orgel der Kasseler Martinskirche ein herausragendes Instrument der Avantgarde des PO-Baues in Augen- und Ohrenschein zu nehmen. KMD Manz nahm sich viel Zeit, uns mit Engagement und Herzblut in die vielfältigen Optionen (vor allem bei avantgardistischer Musik) und die versteckten klanglichen Finessen seiner Orgel einzuführen.
Im Hause Kisselbach erwartete uns (neben der legendären Gastfreundschaft) eine kleine Überraschung: Die erste am Markt verfügbare dreimanualige Studio, die diese Modellreihe des Hauses Johannus hörbar aufwertet. Wie immer bereichernd: Zahlreiche Hintergrundgespräche über Trends und Entwicklungen in der Szene, die ja durch das Haus wesentlich geprägt wird.

Über diese beiden „offiziellen“ Treffen hinaus gab es über das Jahr verteilt etliche informelle Zusammenkünfte kleinerer Teams aus Forianern. Man besuchte einander, zudem diverse Orgelhäuser und Installationen, was seinen Niederschlag in Berichten und anregenden Diskussionen fand.

Neuheiten?

Damit wären wir beim nächsten Thema: Was gab es an Innovationen?
Ich nenne sie so, wie sie mir gerade einfallen und erhebe keinen Anspruch auf Vollständigkeit.

Am bemerkenswertesten (und folgenreichsten) war für mich der Trend zu modularen Lösungen, bisher ein Quasi-Monopol des Hauses Hoffrichter. Nachdem im Vorjahr Content eine Zweimanualige präsentiert hatte, die aus den Komponenten Manualblock, Ständer, Pedal, Bank und externer Abstrahlung besteht, legte Viscount mit der Cantorum Duo eine Lösung vor, die mich so ansprach, dass ich das Gerät zu meiner Feldorgel 2.0 erwählt habe. Entgegen erster Vermutungen, man werde die Physis-Technologie „nach unten“ weiterreichen, hat die Orgel Samples – und zwar die, die in der Kisselbach-Hausmarke „Optimus“ verwendet werden. Meine seitherigen Einsatzerfahrungen mit dem Gerät sind sehr positiv. In puncto Handlichkeit ist es meiner bisherigen Lösung (Cantorum VI mit externer Abstrahlung und angehängtem Expander) deutlich überlegen. Vor allem die interne Abstrahlung setzt Maßstäbe und entbindet in den meisten Fällen vom Mitführen der externen Anlage.

Das Haus Bauer hat seine Eigenmarke „Excelsus“ auf eine Johannus-Plattform umgesetzt und bietet zweimanualige Lösungen für Haus- und Kircheninstallation auf der Grundlage eines stimmigen Preis-Leistungsverhältnisses an. Die Instrumente weisen klug zusammengestellte Dispositionen und ein eigenständiges, abgerundetes Klangbild auf, das sie von Mitbewerbern deutlich abhebt und dem Einsteiger-Segment eine Farbe hinzufügt, die sicher Gefallen findet. Ich hatte das Vergnügen, die Prototypen zu betasten und fand sie rundum überzeugend.
In Zusammenarbeit mit dem PA-Anlagen-Hersteller Teufel hat Bauer eine modulare externe Abstrahlung entwickelt, von deren Leistungsfähigkeit Clemens und ich uns bei einem Besuch dort überzeugten. Auch hier war es das durchaus günstige Preis-Leistungsverhältnis, das mich angenehmst überraschte.

Johannus hat im Lauf des Jahres einige weitere Samplesets zur Live III geliefert und für Liebhaber des klassischen Spieltisches eine Live IIIT mit Registerwippen vorgestellt. Gegenüber der „Positiv“-Bauform mit Zügen ist sie erheblich geldbeutelfreundlicher. Allerdings ist nach wie vor nicht befriedigend gelöst, wie die Registernamen unterschiedlicher Dispositionen userfreundlich angezeigt werden. Da ist Viscount mit der „Hymmersive“ einen zielführenderen Weg gegangen. Indes handelt es sich bei der „Hymmersive“ nicht um ein „Konkurrenzprodukt“ zur Live III im strengen Sinn, da sie als Plattform für eine „Hauptwerk“-Installation konzipiert ist.
Das Ei des Kolumbus hat Johannus bei der Registerbeschriftung also noch nicht gefunden. Vielleicht gelingt es ja in 2019.

Warten auf "mehr Physis" ...

Derweilen harrt die Gemeinde der Physis-Jünger immer noch einer Verbesserung der Intonationsmöglichkeiten an den Stimmen oberhalb der 2’-Grenze. Über die Ursachen dieser kleinen „Systemschwäche“ ist hier ebenso breit wie ergebnislos diskutiert und spekuliert worden.
UnermüDlicher Initiative einiger Physis-Intonations-Cracks (stellvertretend sei Frank „Saint-Sernin“ genannt) verdanken wir eine stattliche und wachsende Zahl gelungener Physis-Intonationen, die Usern und Gästen zur Verfügung stehen. Das wertet unser Forum als Anlaufstelle und Kompetenzzentrum immens auf. Ich denke, man kann ohne Übertreibung sagen, dass dieses Forum durch die Arbeit dieses Teams zur ersten Adresse bei allen Fragen der Physis-Intonation geworden ist - was die Zugriffszahlen zu den entsprechenden Threads belegen. (Zur Forumsstatistik schreibt Klaus sicher noch ein paar Takte.)

Geister der Vergangenheit ...

Was hat unsere Community das Jahr über sonst noch bewegt? In den diversen Rubriken ist es nachzulesen. Was mir auffiel:
Gelegentlich tauchen ja die Geister der Vergangenheit aus der Versenkung auf und schmähen alle als Kunstbanausen, die sich erfrechen, „elektrische“ Orgeln zu spielen oder sie überhaupt als „Orgeln“ zu bezeichnen. Bei uns im Forum fand die Kontroverse um die Aussagen eines prominenten (und als Interpret zu recht geschätzten) kath. Kirchenmusikers einen gewissen Widerhall. Fast zeitgleich teilte der Vatikan mit, dass er eine DO aus einer amerikanischen Nobelschmiede beschafft hat. Der liebe Gott hat halt Humor ...
Und ich denke bei solchen &bdquoDiskussionen“ immer an einen Satz meines Vaters: &bdquoDie Hunde bellen, die Karawane zieht weiter.“
Meine Meinung: Die Orgelkultur (immerhin inzwischen „Weltkulturerbe“!) wird nicht bedroht durch die DO. Wenn überhaupt, dann schon eher durch Sakralklampfende und liturgische Kneipenpianierende ... (Man beachte die sprachliche „Eleganz“ des „Gendersprech“ ...)

Innenansichten ...

Das gute Binnenklima und die entspannte Gesprächsatmosphäre in diesem Forum schlagen sich gelegentlich darin nieder, dass Threads sich heftigst in Richtung BlöDelei entwickeln. (Siehe „4:33&ldquo Leute, die zum Lachen an jedem 29. Februar für eine Viertelstunde in den Keller gehen, können damit natürlich nichts anfangen ...
Was uns in Debatten (und auch gegenüber anderen Meinungsmarktplätzen im www) auszeichnet, ist die faire Gesprächskultur. Besitzer alleinseligmachender Weisheiten, die sich im Schutz der Anonymität sicher wähnen, finden in unserem Forum kein Forum.
Zumindest die Kernforianer können gut damit leben, dass andere Leute andere Meinungen haben. Denn uns alle verbindet die Affinität zum schönen Orgelklang, sei er von einer PO, einer DO, einer Physis-Klangsynthese oder einer „virtuellen Orgel“ erzeugt.
Und in diesem Jahr gab es nicht einen Fall, in dem wir einen Troll in die norwegische Sagenwelt zurückschicken mussten. Inzwischen sind wir wohl für diese Spezies unattraktiv geworden. Und das finde ich sehr gut so ...

In diesem Sinne: Freuen wir uns auf 2019, auf neue, schöne (und bessere) Instrumente, auf erhellende Diskussionen, schöne Begegnungen und viiiiiiiiel gute Musik, dem lieben Gott zur Freude und uns zur Erbauung.

Kommt alle gut ins neue Jahr!
Möge es gelingen!
Euer
Michael

Lieber Wichernkantor,

es war mal wieder vortrefflich von unserem Admin gewählt, Dich mit der Erstellung des Jahresrückblicks zu betrauen.

Vielen Dank dafür.

Da wurden wieder einige Erinnerungen wach...

Besonders hat mich unser Forumstreffen in Bad Reichenhall und Umgebung beeindruckt. Viele neue Gesichter und noch mehr "alte"... - also "bekannte"...

Ich möchte nochmal an das Instrument in Bad Reichenhall erinnern, welches das Harmonium im Spieltisch eingebaut hat... - das war mal für mich "was Neues"...

Es war ein interessantes Jahr mit / um die Orgel und das Forum, wenn auch meine Aktivitäten in der zweiten Jahreshälfte zurückgegangen sind.

Euch allen einen angenehmen Jahreswechsel und alles Gute für 2019...

Prost:

VG
Aeoline

Zitat von Canticus

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So freue ich mich schon auf das nächste Forumstreffen 2019 im Sächsischen und hoffe sehr, daß ich noch ein Einzelzimmer im gemeinsamen Hotel bekomme, lieber Michael!

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Ups, ich vergaß: Das Hotel ist natürlich gebongt ...

LG und Euch ein gesegnetes Neues!
Michael