Orgelarena Lahn/Dill 2017

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28.05.2017 08:44 (zuletzt bearbeitet: 14.01.2022 20:42)
#16 RE: Orgelarena Lahn/Dill 2017
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Moderator

:orgel: :orgel: :orgel:

Hurra, wir leben noch!

Den ersten Schub Sommerhitze haben wir überstanden - und das angesichts einiger Fußmärsche mit Gepäck zu ausgesprochen autofahrerfeindlichen Kirchen. Dafür waren die innewohnenden Orgeln umso musophiler.
In der ev. Stadtkirche von Dillenburg wurde eine anno 1990 ursprünglich mit zwei Manualen in ein historisches Barockgehäuse implantierte Neobarockerin aus dem Hause Oberlinger in den vergangenen 25 Jahren sukzessiv auf 44 Register ausgebaut, zunächst um ein RP ergänzt, dann mit einigen Registern zu einer "Universalorgel" im besten Wortsinn aufgerüstet. Im Zuge der Kirchensanierung 2016 hat dann ein sehr tüchtiger Intonateur nochmal drübergebügelt und aus dem etwas heterogenen Klangmaterial ein völlig überzeugendes Ensemble komponiert, mit dem wirklich alles zu machen ist - sogar eine Menge Gags. (In der Zugabe, einer Sonata des Klassikers Nicolo Zingarelli, - von Opernseligkeit triefend - kamen Glockenspiel, "Usignolo", Zimbelstern und der Schalk des Interpreten zu kräftig dosiertem Einsatz.)
Thomas Adams' "Grand Choeur" à la francaise ware ebenso stilvoll zu machen wie ein drei Charakterstückchen von Percy Fletcher und - als "pezzo grosso" - Francks Prélude, Fugue et Variation op. 18.
In der kath. Stadtkirche Dillenburgs wartete eine kleine Offenbarung: Die Sonate des ungarischen Zeitgenossen Frygies Hidas an einer Klasisine aus 1975 (III/42). Die Orgel ist "ganz großer Klais", so wie ich es von Orgelsäuglingsbeinen an heiß und innig liebe. Ich habe dieses Bravourstück schon zweimal von Matthias Grünert bei anderen Orgeltouren gehört. Aber an diesem Instrument konnte der Interpret Strukturen aufdecken, die mir bisher verborgen waren. Bis jetzt für mich der absolute Höhepunkt dieser Orgelarena. Wenn da heute nicht noch der Oberknaller kommt, bleibt das so.
Heute soll's noch heißer werden. Mein Assistent Roland hat gestern Abend bereits zum Ritt heimwärts ins Frankenland gesattelt und ist dort hoffentlich wohlbehalten angekommen. Seine Leistungsscheine in den Berufsfeldern Stativ- und Kabelträger, Steckdosensucher, Kabelschlangendompteur, Hochstativ-Stemmer und -Einrichter, Mikrophonjustierer und Kabelstöpsler zur blitzschnellen Herstellung der Gefechtsbereitschaft hat er mit Bravour bestanden.
Danke Roland! :prost: :thx: :prost:
Zwischendurch hat er zahlreiche "Beweisfotos" gemacht, damit seine Frau sehen kann, dass er nicht mit den Kegelbrüdern auf Sauftour war, sondern sich in seriösesten Kreisen sittsamer Orgelfreunde bewegte.
Meine bessere Ehehälfte hat nach besten Kräften dafür gesorgt, dass wir alle nach dem Zähneputzen brav zu Bett gegangen sind ...

Gleich geht's in die Zielgerade ins ehemalige Kloster Altenberg, wo uns eine der bedeutendsten Denkmalorgeln Hessens (Schöler, 1757) erwartet. Klanglich ein Traum. Leider hat ein weit entfernt lebender Obergedönsrat bei der jüngsten Restaurierung durchgesetzt, dass ein (stilistisch absolut stimmiges) Pedal mit zwei Oktaven Umfang aus den 1850ern auf den (angeblichen) Originalzustand - eine Oktave - rückgebaut wurde. In der beliebtesten Kasualienkirche der Region stehen die von den Brautleuten mitgebrachten oder geheuerten Organisten ratlos vor der Orgel und können alles, was sie vorbereitet haben (einschließlich der Begleitsätze aus dem Choralbuch) nicht spielen ...
Darauf (von der lieben, alten Sakristeischwester) angesprochen, soll der Herr Professor Dr. Dr. Orgelexperte gefaucht haben: "Wer diese Orgel nicht spielen kann, soll es halt sein lassen."
Als besagtes Schwesterlein mich zum ersten Mal in seiner Not anrief, habe ich ihm geraten, doch den Herrn Professor zum Spiel zu beordern - dann habe ich der guten Frau (sie starb vor ein paar Jahren) natürlich zugesagt. Vom Funkhaus aus ist das ein schöner Spaziergang von 20 Minuten über einen Panoramaweg oberhalb des Lahntales.

Matthias wollte hier eigentlich große Bäche spielen - jetzt werden es halt kleinere: die manualiter-Sätze aus Bachs "Orgelmesse" und zum Schluss ein Muffat, der nur ein paar Orgelpunkte erfordert.

So, jetzt geht's aber los.

LG
Michael


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28.05.2017 13:32
#17 RE: Orgelarena Lahn/Dill 2017
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Administrator

Einoktavige Pedale gibts in meiner Gegend zuhauf, allerdings sind sie zumindest mit einer zweioktavigen Pedalklaviatur verbunden, auf der dann sämtliche Töne repetieren. Nicht die reine Freude, aber besser als gar nichts...


Ich verkaufe meine Orgel, eine Gloria Concerto 234 Trend DLX. Bei Interesse bitte PN oder Mail.

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29.05.2017 07:46
#18 RE: Orgelarena Lahn/Dill 2017
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Moderator

Dann liegen aber zumindest die Tasten ungefähr dort, wo ich sie seit einem halben Jahrhundert vermute.

Nichtsdestotrotz: Das Konzert auf der Altenberger Schölerin gestern war ein Erlebnis. Der emeritierte Wetzlarer Domkantor kümmert sich als Kustos des Instrumentes mit viel Herzblut um den Erhalt. Er stieg noch wenige Minuten vor Beginn in das Pedalgehäuse, um einer Posaunenpfeife zuzureden. Sie war für das einzige Pedalstück des Programms, Muffats Toccata septima unerlässlich - es handelte sich um das tiefe C. Die Stimmhaltung der Zungen dieser ansonsten herrlichen Orgel ist unterirdisch.
Matthias Grünert spielte die manualiter-Sätze aus Bachs "Orgelmesse", setzte die frisch gestimmte Vox humana ein, solange sie diesen Status behielt (man muss da sehr früh aufstehen, um sie wohlgestimmt anzutreffen) und verbreitete mit den poetischen Flötenregistern der Orgel (darunter das regionaltypische Salizional 4' - ja, das ist im mittelrheinischen Orgelbau der Stumms und anderer Meister ein konisches Flötenregister mit sanftem Strich) einen herrlichen Farbenzauber. Gerade diese Musik steht dem Raum und dem Intrument, das als Brüstungswerk einer weit vorgezogenen Nonnenempore mitten in der Kirche platziert ist, besonders gut an.
"Hier hätte ich gern einen großen Bach gespielt", meinte der Interpret hinterher - was sich verbat durch den "umwerfenden" Pedalumfang C-c0 ... *seufz*

Gerald Woehls Instrumente aus Marburg genießen ja inzwischen einen weltweit guten Ruf. Den musste er sich als junger Meister mühsam erarbeiten und das begann mit diversen Landorgeln in unserer Region. Sein Opus I aus 1967 mit II/11 steht in Berghausen bei Wetzlar und es gab im Auditorium noch Leute, die berichten konnten, wie das junge Meisterlein mit seiner "Ente" (für die Nachgeborenen: Citroen 2CV - Kultobjekt der Alt-68er, robustes Transportmittel zu Demos und anderen studentischen Lustbarkeiten jener Jahre) die einzelnen Teile aus der Werkstatt herankarriolte, in einem Privathaus an der Kirche logierte und sich beim Hausherrn Nachhilfeunterricht in kaufmännischer Buchführung holte.
Die "Werkstatt für sinfonischen Orgelbau" legt in diesem Instrument ihre orgelbewegten Wurzeln bloß. Aus Registern wie Quintade 2', Terz und Prinzipal 1' als Klangkrone im Nebenwerk ließen sich "gläserne" Farben herausholen. Da der Raum nicht groß ist, ist die Intonation kammermusikalisch dezent, das gilt auch für die Prinzipale. Dem entsprach Matthias Grünerts Programm mit Druckenmüller, Sorge und CPE Bach. In dieser Sozialisation und an solchen Instrumenten darf es dann auch mal das C-Dur aus den "acht Kleinen" von Bach oder Nichtbach sein. Da stimmt einfach das Ambiente.
Am Samstag hatten wir dann das Vergnügen eines größeren Werkes aus der jungen Werkstatt Woehl. Die Orgel in der Beilsteiner Schlosskirche war ein technischer Neubau aus 1974 (II/21) in einem Gehäuse aus 1771. Auch die Manuallade und einige Pedalregister der Orgel von Johann Gottlieb Hausmann aus Siegen wurden übernommen.
Die adligen Herren der Region waren reformiert, so dass das Instrument ebenfalls als Brüstungsorgel über Altar und Kanzel steht. Als "pezzo grosso" gab's hier Es-Dur 552. Das Grand jeu dieser Orgel ist einfach emotional bewegend - wuchtig, kompakt, erdig und schwer wie der sizilianische Wein, an dem wir uns allabendlich bei unserem "Stamm"-Italiener am Wetzlarer Marktplatz delektierten. In Bastis Pastorale durften dann Flöten und Solozunge "Delicat und lieblich" tönen. Eine respektable Landorgel. An so was macht der Orgeldienst sicher richtig Spaß ...

Ich habe einen Sack voll ordentlicher Aufnahmen mitgeschnitten, die ich in den kommenden Wochen zu diversen "musicae sacrae" verarbeiten werde. Erster Sendetermin ist Sonntag, 11. 06., 17:00 auf ERFplus, weitere dann in 14tägigem Rhythmus.

Jetzt ist erst mal wieder das Tagesgeschäft dran. Mal sehen, was sich während meines Tauchganges ins Paralleluniversum Orgelarena so auf diesem Planeten zugetragen hat ...

LG
Michael

@Aeoline: Das "Rauschwerk 40fach" hat auch dem Frauenkirchen-Kantor und dem "harten Kern" der Truppe bei der Siegesfeier gestern Abend vortrefflich gemundet. Die Flasche ist leer. Ein Zustand, der sich schnellstens ändern muss... Dafuer:
Wenn René noch eine Pulle auf Lager hat: Her damit!


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29.05.2017 18:16
avatar  wohli
#19 RE: Orgelarena Lahn/Dill 2017
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@ Michael: Immer wieder spannend, mit wie viel Liebe zum Detail du deine "Reiseberichte" schreibst.


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29.05.2017 18:47
avatar  Aeoline
#20 RE: Orgelarena Lahn/Dill 2017
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Zitat von Wichernkantor

@Aeoline: Das "Rauschwerk 40fach" hat auch dem Frauenkirchen-Kantor und dem "harten Kern" der Truppe bei der Siegesfeier gestern Abend vortrefflich gemundet. Die Flasche ist leer. Ein Zustand, der sich schnellstens ändern muss... Dafuer:
Wenn René noch eine Pulle auf Lager hat: Her damit!



In meinem bescheidenen Lagerhaus befindet sich nur noch eine ungeöffnete Flasche von der 54-Fuß-Jericho-Posaune.

Aber ich werde mal nachfragen, ob auch von der Light-Version noch was da ist...
Prost:

LG
Aeoline


Organisten leiden oft an einer schlimmen Krankheit: Augentinnitus - Man(n) sieht nur noch Pfeifen...

Viscount Unico 400 DE [V1.14.19] (56/III/P) : ab 11.2012
Johannus Opus 520 (45/II/P) : 10.1987-11.2012
Siel HB 700 (9/II/P) : 1977-09.1987)

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29.05.2017 20:34
#21 RE: Orgelarena Lahn/Dill 2017
cl

Lieber Michael,
vielen Dank für die wie immer amüsant- informativen Reiseberichte. Wie hat sich denn Dein Örgelchen geschlagen? Mit, oder ohne digitale Erweiterungen?

Lieben Gruß
Clemens

Liebe Grüße vom Clemens

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29.05.2017 20:58
#22 RE: Orgelarena Lahn/Dill 2017
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Moderator

Zitat von clemens-cgn

Lieber Michael,
vielen Dank für die wie immer amüsant- informativen Reiseberichte. Wie hat sich denn Dein Örgelchen geschlagen? Mit, oder ohne digitale Erweiterungen?

Lieben Gruß
Clemens



Ohne, da ist Matthias Purist. Die gewählte Literatur, die Canones aus den Goldberg-Variationen, kann man ja manualiter ausführen. Er hat in zwei Sätzen Pedal verwendet - und da passte der (im neuen akustischen Umfeld) eher diskrete 16' gut. Ich hab' meine Orgel zum ersten Mal so richtig bewußt selber von unten gehört. Es war einfach nur schön. Wenn sie keinen Gemeindegesang tragen müssen, singen die etwas engen Prinzipale 4' und 2' schon fein.
Und einige Kollegen meinten hinterher, über das Instrument gäbe es wahrlich nix zu meckern. Einer von ihnen, KMD bei Heidelberg, kam hinterher und meinte: "Da kann ich verstehen, dass Du Dich hier wohlfühlst." Vor allem das (sorgfältig gestimmte) Regal 8' fand allgemeinen Beifall. Ich begreife jetzt, wieso der Orgelbauer nölte, als ich vor Jahren mal anregte, es gegen ein Krummhorn auszutauschen. Im Raum wirkt es sehr sonor und ausgeglichen.
Bei unseren Nachbarn in Thomas Morus waren die Zungen total aus dem Ruder gelaufen - und zwar in alle Richtungen. Matthias' Assistent stieg ins (sehr hoch ragende) Gehäuse und stimmte schnell bei, was zu schaffen war.
Diese Kirche ist sehr groß, ein riesiger Betonwürfel, der mit 21 Registern eher unterbeschallt ist. Bei der jüngsten Generalüberholung vor drei Jahren hat man die Mixturen zurückgenommen. Ob das so sinnvoll war ... ?
Wir waren uns jedenfalls einig, dass das Instrument zu laut und dunkel geworden ist. Im Zustand quo ante erinnere ich mich an stimmigere Plena.

LG
Michael


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29.05.2017 21:02 (zuletzt bearbeitet: 14.01.2022 11:08)
#23 RE: Orgelarena Lahn/Dill 2017
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Moderator

Zitat von Aeoline

In meinem bescheidenen Lagerhaus befindet sich nur noch eine ungeöffnete Flasche von der 54-Fuß-Jericho-Posaune.

Aber ich werde mal nachfragen, ob auch von der Light-Version noch was da ist...
:prost:

LG
Aeoline



:dafuer: :dafuer: :dafuer:
Das Wässerchen hat 100 % WAF!

LG
Michael


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03.06.2017 01:15 (zuletzt bearbeitet: 14.01.2022 11:09)
#24 RE: Orgelarena Lahn/Dill 2017
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So, nachdem ich mich von den Strapazen der Orgelarena regeneriert habe und in meinem familiären Umfeld wieder erfolgreich resozialisiert worden bin, melde ich mich wieder zu Wort:

Mein Dank gilt Michael, dass ich nun sämtliche Assistenten-Scheine sowie das Abschlussdiplom erfolgreich ablegen konnte. Ich bin sehr, sehr stolz darauf!!! Darüber hinaus hat er mich bei unseren Fahrten von Schnell-Abbauen nach Schnell-Aufbauen ergänzend in Orgelbau und Registrierkunde, Geschichte und Entwicklung des Lahn-/Dill-Kreises mitsamt seinen prächtigen Bahnhöfen, namhaften Fürsten von-und-zu-hin-und-mit-und-auf-und-davon Solms-Braunsfeld und Konsorten mitsamt deren buckligen Brut, oranjeschen Fürsten-Personaleinkäufen sowie in Theologie, bildende Kunst - und nicht zu vergessen: zügigem Autofahren - hervorragend unterrichtet.
:thx:

Unvergessen bleibt mir auch in Erinnerung, wie Michael mir mit Engelsgeduld den Unterschied zwischen einem langen und einem kurzen Kabel erklärt hat…. :schlau:


An dieser Stelle möchte ich auch mein ausdrückliches Lob an Michael für seine excellente Vorarbeit aussprechen. Er hat für diese Orgelarena die einzelnen Kirchen mit deren ansprechenden Orgeln ausgesucht und Kontakte hergestellt. Klasse!!! :hail: :hail:
Wir sind bei der Tour durch schnuckelige Dörfer, an anmutenden Schlössern sowie wunderschönen Kirchen vorbeigefahren und waren auch an beschrankten Bahnübergängen gestanden. Die Empfehlungen, die unser Michael den vorausstehenden Auto“fahrern“ gegeben hat, waren mehr als amüsant!! :bad:

Die Gegend und die Landschaft macht Geschmack auf einen schönen Urlaub mit weiteren Erkundungen! :tipp:

Ebenso werde ich wohl nicht vergessen, wie wir in einem Ort in der Kirche von einem Orgelarena-Kirchen-Sonderbeauftragten empfangen worden sind. Michael flott voraus, in schicker Sonntagskleidung und silbernem Technikkoffer, ich hinterher mit meinem Werktags-T-Shirt, abgelatschtem Schuhwerk, dem schweren Hochstativ auf den Schultern, abgekämpft, von den Strapazen sichtlich gezeichnet, der Schweiß läuft in Strömen, der Kopf glüht, die Füße brennen…. Ja, da sagt doch dieser Herr so nett zu Michael: „Aha, Sie sind der Herr vom Radio!?!“ und dann zu mir „Und Sie sind dann der (Konzert)-Organist?!“ Meine Antwort: „äääääh, ja……, Organist bin ich auch…. aber, ääääh… da kommt gleich einer, der ist noch besser als ich!!“ Tja, wenn einer eine Reise tut….. :D

Übrigens: An Aeoline's "Rauschwerk 40fach" durfte ich in Michaels trautem Garten auch mal schnuppern! Lecker!!

Zum Interpreten: Matthias Grünert verdient meinen uneingeschränkten und allerhöchsten Respekt!!! Er hat in 4 Tagen insgesamt 27 Konzerte mit eine Dauer von jeweils 30 Minuten… an ihm zumeist unbekannten Orgeln… überwiegend hoch und höchst anspruchsvolle Orgelliteratur in einer derart hohen Güte und Präzision sowie überragend interpretiert und dargeboten…. Da kann ich nur staunend meinen Hut ziehen und mich zutiefst verbeugen!!!! Ich hab ihn gefragt, wie er sich auf so eine Tour mit über 130 Literaturstücken vorbereitet. Antwort: „Gar nicht“ Wahnsinn!! Unbelievable!!! :schock:

LG
Roland


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04.06.2017 14:34
#25 RE: Orgelarena Lahn/Dill 2017
Ma

Hallo Michael,

auch von mir ein herzliches Dankeschön!

Eine Verständnisfrage zum Konzept der Reihe: Grünert kennt die Orgeln doch oft nur vom Papier, d.h. kennt die Eckdaten inkl. Disposition. Spielt er dann in der Kirche vor dem Konzert die gleichfalls auf dem Papier vor-überlegten Registrierungen kurz an? Dass z.B. Manualiter-Variationen hinsichtlich Registrierungen unkritisch sind (Gedackt 8' und Rohrflöte 4' in einer einmanualigen Dorkirchenorgel), ist klar, aber er bietet ja teils veritable Konzertstücke dar, auch auf dreimanualigen Orgeln. Läuft er da nicht Gefahr, dass die Balance z.B. zwischen Hauptwerk und RP für den Zuhörer ein ganzes Stück lang nicht passt?

Gloria Concerto 350 Trend

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04.06.2017 16:16
#26 RE: Orgelarena Lahn/Dill 2017
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Moderator

Er war schon am Mittwoch da und ist den ganzen Tag lang durch das Terrain gereist, und hat genau solche Sachen geklärt an den "kritischen" Instrumenten. In Dillenburg, Weilburg, Herborn und Wetzlar hat er die größeren Instrumente probiert. Vor allem der Rheinberger in der Hospitalkirche war ja eine Herausforderung: Orgel neobarock, nix Schweller, nix Walze. Zwar drei FK, aber die hat er dann aus Prinzip auch nicht benutzt und sich auf seinen Registranten verlassen, der alle Hände voll zu tun hatte.

LG
Michael


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04.06.2017 16:55
#27 RE: Orgelarena Lahn/Dill 2017
Ma

Aha!

Die übrigen Orgeln bis auf die vier genannten waren ihm also vorher unbekannt, sondern von Kundigen vor Ort wie dir ausgewählt?

Gloria Concerto 350 Trend

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04.06.2017 18:16 (zuletzt bearbeitet: 14.01.2022 11:11)
#28 RE: Orgelarena Lahn/Dill 2017
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Moderator

Zitat von Martin78

Aha!

Die übrigen Orgeln bis auf die vier genannten waren ihm also vorher unbekannt, sondern von Kundigen vor Ort wie dir ausgewählt?



Zum Teil. Er war natürlich vorher auch auf dem Altenberg. Ich hatte ihm jedes Instrument mit Stärken (die "Triosonaten"-Orgel in Dorlar oder die kantige "Norddeutsche" in der Unteren Stadtkirche in WZ) und Schwächen (der ausgesprochen gemütliche pneumatische Setzer in Wetzlar/Dom, bei dem die Züge mit einem schmatzenden "plopp" laaaaangsam in ihre Position rücken) charakterisiert und auf die Besonderheiten hingewiesen. Z. B. waren darunter zwei, bei denen das Hw ans Pos koppelt (Wichern und Kreuzkirche), eine mit "Labialzunge", (Leihgestern).
Das bestimmte vorweg die Literaturauswahl. Da kein eigentliches sinfonisches Großinstrument dabei war, lag der Programmschwerpunkt im Barock, vor allem bei Bach. Matthias hat ja alle Rheinberger-Sonaten und Mendelssöhne "drauf". Da hätte man gern was gehort - auf der neuen Gießener Eule z.B.
Die stand aber nicht zur Disposition, weil zum Zeitpunkt der Planungen zeitgleich Vakanz in Kantorat und Pfarramt war und kein Ansprechpartner für verbindliche Absprachen bereitstand. Von den zwei großen Försterinnen in den ev. Innenstadtkirchen wurde eine von der dort wirkenden Propsteikantorin als "unzumutbar" bezeichnet. (Wiewohl ihr Vorgänger sie Jahrzehnte lang äußerst kundig traktiert hatte. Bei dessen Verabschiedung in den Ruhestand war mir kein Defekt aufgefallen ... :kratz:) Und die andere stand bei Ablauf der Deadline in einer frisch renovierten Kirche und harrte ihrerseits der Ausreinigung. Schade - die "Orgelstadt Gießen" musste so diesen Rang Wetzlar überlassen, wo fünf tadellos gepflegte Instrumente bereitstanden.

LG
Michael


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05.06.2017 09:02 (zuletzt bearbeitet: 14.01.2022 20:37)
#29 RE: Orgelarena Lahn/Dill 2017
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Moderator

@ Martin78:

Rheinberger in Wetzlar, Hospitalkirche, guckst Du PN.
Nicht erschrecken, wenn plötzlich eine Batterie Presslufthämmer im Tutti "zugeschaltet" wird. Das ist kein "Tonnere" à la ACC, sondern der akustische Fingerabdruck einer Rockergang auf Vatertagsausflug, die den Platz neben der Kirche als Zwischenlager für ihre Harleys ausersehen hatte. Wir haben den Jungs dann klargemacht, dass sie gerade etwas STÖREN ... :bad:

LG
Michael


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06.06.2017 07:49
#30 RE: Orgelarena Lahn/Dill 2017
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Moderator

So allmählich trudeln die ersten Rückmeldungen ein. Matthias Grünert geht mit diesen Konzerten ja sehr bewusst "auf's Land", um den Menschen dort zu zeigen, welche wertvollen Kulturgüter sie in ihren Kirchenorgeln besitzen. Und er spielt die "Landorgel" mit I/8 mit der selben Selbstverständlichkeit und Professionalität wie ein "Dickschiff".
Einige Pfarrer haben sich nochmal bei mir bedankt, dass ich im Vorfeld den Kontakt vermittelt habe. In einer Gemeinde hatte der KV schon erwogen, die (relativ neue und recht adrette) Orgel zu verkaufen, weil niemand mehr da sei, sie regelmäßig zu spielen. So was sei jetzt definitv vom Tisch, sagte mir eine Kirchenvorsteherin.
Für etliche Gemeinden war die Auswahl als Station der Orgelarena Anlass, mal wieder einen Orgelbauer kommen zu lassen, um gründlich durchzustimmen. Nur in zwei Kirchen mussten Matthias und sein Assistent noch schnell die Zungen beiziehen - und das war weniger der Nachlässigkeit der jeweiligen Gemeinden als dem ruckartigen Temperaturanstieg während der Arena geschuldet. Da haben wir bei vorangegangenen Arenen und Marathons ganz Anderes erlebt ... (korrodierte Zungenblätter, Insektensammlungen in den Bechern und Stiefeln etc.)

Mein Fazit: Durch die 27 Konzerte wurde eine Region flächendeckend darauf aufmerksam, was für schöne Instrumente in unseren Kirchen stehen und welch geniale Musik man darauf machen kann - wenn man es kann. Nötigt allein schon die physische Leistung Respekt vor dem Interpreten ab, so habe ich darüber hinaus beeindruckende künstlerische Leistungen auf dem Recorder dokumentiert. Meine persönliche Favoritin war die Sonate von Frygies Hidas auf der Klaisine in Dillenburg (kath.). Das Werk ist eines von Matthias Grünerts "Paradestücken". Ich hatte bereits zwei Aufnahmen davon an erheblich größeren Orgeln. Aber ich habe es bis dato noch nicht so differenziert und konzise wahrgenommen wie in diesem Raum und an diesem Instrument. Der subtile Umgang mit der hochwirksamen Schwellung (vor allem im Mittelteil) und der Einsatz der "Spanierin" an den "richtigen" Stellen waren Geniestreiche, die so nicht in der Partitur stehen, sondern allein dem genius loci und den instrumentalen Möglichkeiten geschuldet waren.

Ich freu' mich auf die Nordeifel 2018 - so Gott will und wir leben ...

LG
Michael


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