Hörvergleich Johannus Studio und Sonique

10.05.2024 15:59 (zuletzt bearbeitet: 11.05.2024 11:36)
#1 Hörvergleich Johannus Studio und Sonique
avatar
Administrator

Heute hatte ich die Gelegenheit, endlich einmal die neue Johannus-Produktfamilie einer gezielten Testung zu unterziehen. Absolute Priorität hatte für mich der "erste Höreindruck" in diesem Sinne, wie sich die Orgel präsentiert ohne dass ich von den Menüoptionen Gebrauch machen musste.

Vorab: Die STUDIO ist eine gelungene, wohlklingende Orgel!
Alle vier Style-Sets überzeugen in ihrer Weise, es ist nicht mehr so wie früher, als bei Johannus eine Intonation spürbar der anderen überlegen war. In der Studio findet der Orgelfreund vier ansprechende Sample-Sets, die auch mit dispositionellen Schmankerln wie Quintadena, Terzian oder Carillon aufzuwarten wissen. Sehr schön! Besondere Erwähnung verdienen die Mixturen, die ausgesprochen authentisch klingen, sowohl im Anspracheverhalten als auch im fortlaufenden Klang. In diesem Punkt hat Johannus gegenüber der Konkurrenz ganz schön aufgeholt.

Erschrocken war ich, als ich nach dem Einschalten zunächst nur den Hauptwerksprinzipal ausprobieren wollte und kaum etwas hörte. Daraufhin ungeduldig im Menü stöbernd entdeckte ich, dass die Orgel auf ca. 60 % der möglichen Lautstärke heruntergebremst war. Keine Ahnung, ob das ein Kunde oder ein Mitarbeiter des Geschäfts so eingestellt hatte - oder ob es sich gar um die Default-Einstellung ab Werk handelte. Jedenfalls war die Orgel viel zu leise, sodass ich die Lautstärke zunächst auf 100 % hochfuhr - dann passte es halbwegs. Gut möglich, dass Zuhause auch weniger als 100 % genügen... Das Volumen der Orgel scheint leider immer noch ein Schwachpunkt bei Johannus zu sein; es wäre schön, wenn mit dieser unseligen Tradition in Bälde gebrochen würde. Viscount ermöglicht ein deutlich mächtigeres Orgelvolumen; an meiner Gloria Concerto genügt bereits eine Einstellung bei ca. 30 %, damit sich im Wohnzimmer ein tragfähiger, voller Orgelklang entfalten kann.

Tatsächlich ist nun auch eine rudimentäre Art von Intonation an der Orgel möglich: Via Menü kann man an den Parametern Bass und Brillance schrauben, wodurch sich der Klang in sinnvoller Weise beeinflussen lässt. Die Einstellung betrifft allerdings die gesamte Orgel bzw. das jeweils aktive Styleset, und nicht ein einzelnes Register. Aber immerhin "geht" nun etwas, ohne sofort den Laptop an die Orgel hängen und mit der schon immer etwas instabilen Intonationssoftware herumwirtschaften zu müssen.

Ebenfalls wirkt sich die Auswahl der virtuellen Spielerposition (vier Möglichkeiten stehen zur Wahl) auf den Klang aus. Per Default ist an der Studio "Center" (ich interpretiere: Mitte des Kirchenraums) eingestellt, was auch sehr ausgewogen klingt. Die Sonique bringt als Werkseinstellung "Front" (ich interpretiere: vorne im Kirchenraum) mit, was m.E. weniger gut klingt; die Umstellung auf Center brachte in meinen Ohren eine klangliche Verbesserung. Bemerkenswert, dass sich die Defaulteinstellung bei der Studio von jener der Sonique unterscheidet. Ob man da bei Johannus schon dazu gelernt hatte, als man die Studio vom Stapel ließ?

Über die Styleauswahl war bei uns im Forum schon heftig diskutiert worden. Die bekannten vier Buttons für ROM, BAR, SYM, HIS gibt es an der Studio nicht mehr - stattdessen aber einen Button namens STYLE, der nach dem Drücken für die Anzeige des aktuell gewählten Styles im Display der Orgel sorgt. Mittels der Plus-Minus-Tasten kann rasch und umkompliziert zu den anderen Styles weitergeschaltet werden. Geladen wird ein neu gewähltes Sampleset jedoch erst, wenn man mittels ENTER (ebenfalls ein Button) bestätigt hat. Nach dem Laden wird dann im Display auch für einige Augenblicke angezeigt, welche Kirche man gerade geladen hat, z.B. Notre Dame, Paris oder Hofkirche, Dresden.

Die Reverbprogramme veredeln den Klang gehörig. Besonders schön, dass zum jeweiligen Sampleset auch der originale Raumhall geladen wird. Verfechter eines unverhallten Orgelklangs zum Zweck akribischen Übens können die Halllautstärke im Orgelmenü herunterdrehen. Allerdings zeigt sich dann schnell, wie wichtig der schöne Nachhall für den charakteristischen Klang der jeweiligen Orgeln ist.
Freilich können auch Reverb-Umgebungen via Menü gewählt werden, die ausdrücklich nicht zu den gewählten Samplesets gehören. Es gibt in der Studio wie in der Sonique mehr Kirchenräume bzw. (Konzert-)Hallen als Samplesets - durch diese Vielfalt an Optionen lädt Johannus zum Experimentieren ein. Der Organist kann somit selber erkunden, wie sich die Orgel in einem anderen, ihr fremdem Raum anhört.

Wechseln wir jetzt zur SONIQUE. Die Orgel wurde bekanntlich vor der Studio auf den Markt gebracht, sie war das erste Kind der neuen Orgelgeneration von Johannus - und das hört man leider auch. Obwohl auch die Sonique vier Samplesets an Bord hat und auch diese von mehr oder minder bekannten Kirchenorgeln abgenommen wurden, fällt sie im direkten Vergleich mit der Studio ab! Und das, obwohl die Sonique ein viel größeres Audiosystem an Bord hat als die diesbezüglich eher spartanisch ausgestattete Studio! Lautsprecher und Kanäle sind doch nicht alles. Surprise, surprise!
Leider habe ich mir nicht notiert, welche berühmten Orgeln die Sonique in den vier Styles beherbergt; auch auf den Johannus-Webseiten findet man dazu keinerlei Information, man lässt den Kunden bewusst im Dunkeln tappen. Warum wohl? Die Hofkirche Dresden ist jedenfalls nicht dabei, auch nicht die Bovenkerk in Kampen. Schade. Außer im romantischen Style, wo auch die Sonique halbwegs gut klingt, können die drei anderen Styles nicht mit dem klaren Klang der Studio konkurrieren. Der erwähnte romantische Style bietet auch bei der Sonique Cavaille-Coll-Klang aus Paris und klingt bei gleicher Registrierung wirklich sehr, sehr ähnlich wie auf der Studio. Die Studio wirkt im Direktvergleich etwas heller, was sich aber mit dem erwähnten Brillance-Parameter gut abfangen lässt, sodass man einen beinahe identen Klang an zwei so unterschiedlichen Orgeln wie der Sonique und der Studio erzielen kann. Auch das ist spannend.

Sehr unpraktisch fand ich die Registerwippenverteilung an der Sonique: Die Wippenbatterien sowohl des Hauptwerks als auch des Schwellwerks (es war die zweimanualige 260) sind jeweils durch einen fetten schwarzen Hochtöner unterbrochen. Das ist auf den ersten Blick irritierend und auf den zweiten immer noch höchst gewöhnungsbedürftig. Die Pedalregister sind teils rechts, teils links der Klaviaturen untergebracht. Auch das ist verwirrend. Noch dazu muss ein Mensch meiner Größe sich immer ein wenig in die eine oder andere Richtung neigen, wenn er alle Registerplättchen mit ihren Beschriftungen vollständig sehen möchte. Unmöglich!
Fein fand ich hingegen, dass bei der Sonique das Orgeldisplay schön mittig über dem Klaviaturblock in das Gehäuse eingelassen war. Das ist weitaus komfortabler und orthopädisch sinnvoller als die unseligen Seitendisplays, wie man sie nicht nur von Johannus, sondern auch von Viscount kennt.

Wöllte mir jemand eine der beiden Orgel schenken, wählte ich ohne Zögern die Studio.
Wie die Sonique jetzt ist, kann Johannus sie auf keinen Fall belassen - falls man sie verkaufen möchte.

Im Schauraum stand auch eine LiVE3T; auch sie bezog ich in den Vergleich ein. Natürlich ließ sie die Sonique deutlich hinter sich. Die Studio zeigte da schon mehr Familienähnlichkeit; rein vom Klang her betrachtet war die LiVE3T deutlich als große Schwester der Studio erkennbar. Die kleine Schwester steht der Großen in vielen Kleinigkeiten nach - das ist wahr.
Echtholzgehäuse, Holzkernklaviaturen und 5 Samplesets mit je eigenem Anwahlbutton gibt es eben nur an der LiVE, ebenso ein ausgeklügeltes Audiosystem und ein vielzeiliges, moderneres Display. Die Klangqualität hingegen überzeugt bei beiden Modellreihen - und ich könnte nicht sagen, dass die Unterschiede in dieser Hinsicht riesig gewesen wären.


Ich verkaufe meine Orgel, eine Gloria Concerto 234 Trend DLX. Bei Interesse bitte PN oder Mail.

 Antworten

 Beitrag melden
10.05.2024 21:14
#2 RE: Hörvergleich Johannus Studio und Sonique
avatar

Schön, dass es nun endlich einen ersten konkreten Erfahrungsbericht gibt.

Im US-Forum hat nun ebenfalls die Diskussion begonnen ob ein ganz neues Klangkapitel aufgeschlagen werden. Sogar Allen-Fans finden wohlwollende Worte für die europäischen Produkte - und das will was heißen.

Übrigens ist Allen mit einer neuen Oberklasse (über den Wolken) am Start: Man will nun der sinfonischen Orgel mit allen Oktavkoppeln und Orchestrals nacheifern. Aus meiner Sicht eine Art Monarke mit freier Registerwahl und ganz vielen Lautsprechern. Nach Deinem Bericht erscheint mir ein solches Produkt aber gerade nicht die dringendste Baustelle zu sein (so wie mir ein Update der Ecclesia auch nicht als höchste Priorität in den Sinn kommen würde).


 Antworten

 Beitrag melden
10.05.2024 21:46
#3 RE: Hörvergleich Johannus Studio und Sonique
avatar
Administrator

Habe den Eröffnungsbeitrag noch um die eine oder andere Beobachtung ergänzt.


Ich verkaufe meine Orgel, eine Gloria Concerto 234 Trend DLX. Bei Interesse bitte PN oder Mail.

 Antworten

 Beitrag melden
11.05.2024 06:08
avatar  live3TA
#4 RE: Hörvergleich Johannus Studio und Sonique
li

Zitat von Gemshorn im Beitrag #1
Die kleine Schwester steht der Großen in vielen Kleinigkeiten nach


Do you know or can you find out if the Studio (or Sonique) use the room correction software that is used when installing the LiVE instruments? That is a "nicety" I have found that has a surprisingly large impact on the LiVE's sound in the room (doesn't affect headphone sound).


 Antworten

 Beitrag melden
11.05.2024 07:38
#5 RE: Hörvergleich Johannus Studio und Sonique
avatar
Administrator

Darüber weiß ich leider nichts.


Ich verkaufe meine Orgel, eine Gloria Concerto 234 Trend DLX. Bei Interesse bitte PN oder Mail.

 Antworten

 Beitrag melden
11.05.2024 12:38
avatar  SJL
#6 RE: Hörvergleich Johannus Studio und Sonique
avatar
SJL

Zitat von Gemshorn im Beitrag #1

Im Schauraum stand auch eine LiVE3T; auch sie bezog ich in den Vergleich ein. Natürlich ließ sie die Sonique deutlich hinter sich. Die Studio zeigte da schon mehr Familienähnlichkeit; rein vom Klang her betrachtet war die LiVE3T deutlich als große Schwester der Studio erkennbar. Die kleine Schwester steht der Großen in vielen Kleinigkeiten nach - das ist wahr.
Echtholzgehäuse, Holzkernklaviaturen und 5 Samplesets mit je eigenem Anwahlbutton gibt es eben nur an der LiVE, ebenso ein ausgeklügeltes Audiosystem und ein vielzeiliges, moderneres Display. Die Klangqualität hingegen überzeugt bei beiden Modellreihen - und ich könnte nicht sagen, dass die Unterschiede in dieser Hinsicht riesig gewesen wären.


Das ist sehr interessant und untermauert die kürzlich mal in den Raum geworfene Hypothese, dass der Aufpreis von rund Faktor 2 schon sehr gut überlegt werden muss. Sicher ein Grund, wieso Johannus jetzt die 5 statt 2 Sample-Sets serienmäßig mitliefert.


 Antworten

 Beitrag melden
Bereits Mitglied?
Jetzt anmelden!
Mitglied werden?
Jetzt registrieren!