Vereinfachungen

10.02.2024 21:56
#1 Vereinfachungen
Bo

Hallo zusammen,

ich packe mal ein heißes Eisen an - Vereinfachungen mehr oder weniger bekannter Orgelwerke. Kurz zum Hintergrund: Am liebsten improvisiere ich in der Liturgie (das kann ich hoffentlich einigermaßen). So kann man sich am besten auf die Gegebenheiten und das Geschehen am Altar anpassen. Aber es kommt doch immer mal wieder vor, dass (insb. bei Hochzeiten, Taufen) bestimmte "Schlager" gewünscht werden (und wir reden hier nicht, von der Popularmusik - bei derartigen Wünschen sitze dann jemand anders an der Orgel). Da will man natürlich - sofern einigermaßen sinnvoll darstellbar - einen Gefallen tun. Aber einerseits war ich im Klavierunterricht leider ziemlich faul, was sich leider jetzt auch in der Geläufigkeit bemerkbar macht. Andererseits setzen die Gegebenheiten vor Ort (z. B. schlechte Traktur) einfach Grenzen.

Nun also meine Frage: Kennt ihr gut klingende Bearbeiten/Vereinfachungen bekannter Orgelwerke? Tambling und Chilla kenne ich schon...

Danke für Eure Unterstützung und einen schönen Sonntag!

LG Johannes


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11.02.2024 08:28
avatar  Sc1978
#2 RE: Vereinfachungen
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Im Kevin Mayhew Verlag gab es mal einige Stücke "made playable". Über Qualität und Werkauswahl kann ich aber leider nichts sagen.

Plz 40591

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11.02.2024 10:10
#3 RE: Vereinfachungen
Do

Zitat von Sc1978 im Beitrag #2
Im Kevin Mayhew Verlag gab es mal einige Stücke "made playable". Über Qualität und Werkauswahl kann ich aber leider nichts sagen.


Viele der Bearbeitungen sind in meinen Augen nicht gut, es geht einfach zu viel von der eigentlichen musikalischen Substanz verloren. Einer solcher „Höhepunkte“ ist da die Widor-Toccata, die Colin Hand bearbeitet hat. Da fehlen die Sechzehntel-Läufe, die linke Hand hat fast immer Quinten oder Sexten, die rechte Hand hat die Akkorde, die eigentlich in der linken Hand sind. Und diese Akkorde sind auch noch „gestutzt“, zwei bis drei Töne sind geblieben, der Rest ist gestrichen. Der eigentliche Themeneinsatz im Pedal ist gestrichen zugunsten eines langen Liegetones. Dafür hat nun die linke Hand Akkorde, wo der oberste Ton in halben Noten das Thema „übernimmt“. In der Reprise kommt dann die gaaaaaanz große Steigerung, da geht das Pedal in den halben Noten parallel mit der l.H. mit …
Sorry, aber diese Werke leben doch von der Vielschichtigkeit, die hier zugunsten der Einfachheit „beschnitten“ wurden. Wenn ich nicht ne Schwarzwälder Kirschtorte hinbekomme, dann verkaufe ich ja auch nicht einen Klecks Sahne mit einer Kirsche und Schokostreusel oben drauf als ne Schwarzwälder Torte.

Jüngst ist im Butz Verlag ein Band erschienen, wo große Stücke für den liturgischen Gebrauch in gekürzter Fassung drin sind. Nicht vereinfacht, nur „sinnvoll“ gekürzt. Und selbst dazu schrieb der Rezensent in der aktuellen musica sacra, dass das mal mehr, mal weniger gelingt. Und dass man selber entscheiden muss ob man sowas spielen will.

Ich finde, es ist eine musikalische Gratwanderung.


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11.02.2024 12:11
#4 RE: Vereinfachungen
So

Als Kind und Jugendlicher (Dorf; Eltern musikliebend, aber ohne ein Instrument zu spielen) kam ich so zur "Klassischen Musik"
Ganz entscheidend dann durch Ekseption...
.... und die "ernsthaften" Anfänge von Emerson, Lake und Palmer 😂


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11.02.2024 19:25
avatar  Mixtura
#5 RE: Vereinfachungen
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Leider ist es so, dass sich viele zu Hochzeiten o.ä. Musikstücke wünschen, die nur schwer zu realisieren sind. Nicht unbedingt wegen des Schwierigkeitsgrades sondern wegen der Instrumente, die für die Literatur nicht geeignet sind. In den letzten Jahren wird es zunehmend schwerer, die Leute von anderer Literatur zu überzeugen. Sie entscheiden sich häufig für die Variante des schlechteren Arrangements, Hauptsache die Melodie stimmt.
Wenn’s mir nicht total gegen den Strich geht, spiele ich auch das. Allerdings pimpe ich die Arrangements manchmal ein bisschen auf 😎

Neben den genannten Verlagen schaue ich auch gerne bei MuseScore, Oktav oder anderen Notenbanken rein und werde da oft fündig


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11.02.2024 23:19
#6 RE: Vereinfachungen
Do

Ich kenne viele Gemeinden wo in dem allgemeinen Informationsschreiben für die Brautpaare drin steht, dass nicht jede Stück auf jeder Orgel geht. Und hier steht auch noch, dass Rücksicht genommen werden muss auf das, was die jeweiligen nebenamtlichen Organisten spielen können.
Und ich scheue mich nicht deutlich zu benennen, dass eine Bearbeitung von dem gewünschten Stück nicht klingen wird und dass eine Enttäuschung da sein wird weil es zu weit weg ist vom Original.

Und ja, unsere Gesellschaft kann nicht mehr auf was verzichten weil es nicht geht….


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12.02.2024 09:16 (zuletzt bearbeitet: 12.02.2024 09:18)
avatar  SJL
#7 RE: Vereinfachungen
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SJL

Nach einigen schlechten Erfahrungen hatte ich in meiner Hausgemeinde einen ebensolchen Infobrief für Brautpaare eingeführt. Dieser regelt, was im "Standardpaket" enthalten ist und zu welchen Bedingungen Sonderwünsche berücksichtigt werden können (Angebot der Beratung, Angemessenheit im GD, Spielbarkeit auf der Orgel, ausreichender Vorlauf zur Vorbereitung, voraussichtliche Zusatzkosten...). So hat man eine realistische Chance, zumindest größere Unfälle im Vorfeld einzufangen. Auch vermeidet man lange Gesichter bei der Endabrechnung.

VG
Stephan


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12.02.2024 09:50
#8 RE: Vereinfachungen
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Administrator

Das ist eine gute Sache, Stephan.
Wenn ich allerdings den Zeitaufwand mitberechne, lohnt sich das Ganze nicht mehr.
Als Konsequenz bediene ich schon seit Jahren keine Hochzeiten mehr, dafür habe ich zu viel Respekt vor meiner kostbaren Lebenszeit und meinen Nerven.


Ich verkaufe meine Orgel, eine Gloria Concerto 234 Trend DLX. Bei Interesse bitte PN oder Mail.

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12.02.2024 12:26 (zuletzt bearbeitet: 12.02.2024 12:26)
#9 RE: Vereinfachungen
Do

Zitat von SJL im Beitrag #7
Dieser regelt, was im "Standardpaket" enthalten ist und zu welchen Bedingungen Sonderwünsche berücksichtigt werden können …


Auch das steht bei uns im Infoblatt. Das ist auch mehr als notwendig, denn (auch bei vereinfachten Bearbeitungen) kommt doch zusammengerechnet ordentlich was an unbezahlter Arbeitszeit zusammen. Ich erinnere mich an ein auswärtiges Brautpaar (Hochzeitstouristen) wo ich zum Vorbereitungsgespräch zu denen hinfahren sollte, eine Strecke knapp 60 km. Ich hab denen dann geschrieben, dass wir das im Anschluss nach einer Messe machen können und sie ihren regulären Messbesuch am Wochenende bei uns machen …


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12.02.2024 13:07
avatar  Dirk
#10 RE: Vereinfachungen
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Meine alte Dienstgemeinde war für "Hochzeitstouristen" auch sehr beliebt und wie Dorforganist schon schreibt, kommen da abstruse Wünsche auf. Meine Gemeinde hatte das damals wie ich finde ganz gut geregelt. Für Gemeindemitglieder war alles mit im "Paket" drin. Bis auf Spezialwünsche von Orgelwerken oder auch Begleitung von Solisten. Das musste dann extra abgesprochen und abgerechnet werden. Externe mussten sich dann bis auf den Küster (gilt auch für Küsterin) alles selbst organisieren (Pfarrer, Organist) und dann auch bezahlen. Auch die Küsterin wurde extra berechnet.

Ich halte es ähnlich wie Gemshorn und spiele Hochzeiten nur noch für Freunde und Familie. Für viele ist die Kirche nur wie ein angemieteter Raum um das schöne weiße Kleid auszuführen. Ich möchte hier nicht alle über einen Kamm scheren, aber oftmals ist es leider so. Kirche ist hier "nur noch" Dienstleister.

Es war teilweise unerträglich mit welcher "Arroganz" vom Organisten erwartet wird, eine Sängerin oder anderen Solisten zu begleiten. Teilweise wurde man einfach nur angerufen mit den Worten "Hallo, sie spielen ja die Trauung am xx. und ich wollte mit ihnen die Probe der Solistin am Vortag absprechen. Sie kann nur am Freitag um 19:00 Uhr..." Ich habe dann höfflich gesagt, dass dies nicht zu meinen Aufgaben gehört und die Solistin doch sicherlich ihren Begleiter mitbringt. Begleitung kann ich gerne übernehmen, ich nehme die gleiche Gage wie die Solistin... Dann war meist erstmal Ruhe in der Leitung... oder es wurde sich darüber entrüstet, warum ich auch zwischen 200 - 400 EUR "nur" für das Begleiten haben will. Es gab auch bitterböse Briefe ans Pfarramt, aber die haben uns Organisten hier den Rücken gestärkt und klar gemacht, dass es nicht zu unseren "Dienstpflichten" gehört.
Und wenn ich es teilweise von Kollegen höre, ist die Wunschliste von Brautpaaren teilweise riesengroß geworden. Nicht nur in den Ansprüchen an den Organisten, auch an Küster, Pfarrer und Co.

Gruß
Dirk


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12.02.2024 13:41
avatar  SJL
#11 RE: Vereinfachungen
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SJL

Hallo Dirk,

du nimmst mir die Worte aus dem Mund. Nachdem ich jahrelang ähnliche Erlebnisse hatte und mich dabei über (zu) viele Ignoranten habe ärgern müssen (insb. die übliche Premium-Hochzeit, alles vom Feinsten, 100 Sonderwünsche, aber dann zu geizig für eine angemessene Organistenvergütung), habe ich eines Tages zur Schonung meines Nervenkostüms entschieden, für Hochzeiten grundsätzlich nicht mehr zur Verfügung zu stehen.

VG
Stephan


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